Inzwischen ist klar, dass wir uns in einer tiefen globalen Rezession befinden.

    • Die US-Notenbank schätzt dass ein Verlust von bis zu 47 Millionen Arbeitsplätzen möglich wäre und die Arbeitslosenquote im zweiten Quartal 32 % erreichen könnte.
    • Präsident Trump schlug einen Infrastrukturplan in Höhe von 2 Billionen USD vor, allerdings ohne konkrete Informationen zu liefern.
    • Ein weiteres US Fiskalpaket im April/Mai wird immer wahrscheinlicher.
    • Die Schwellenländer werden derzeit besonders hart getroffen. Sie haben in den letzten Jahren enorme USD-Schulden aufgenommen und sehen sich nun mit sinkenden USD-Reserven konfrontiert, da viele von ihnen Öllieferanten sind und die USD-Einnahmen aus dem Tourismus wegfallen.
      • Der IWF wird in den kommenden Monaten noch viel Arbeit vor sich haben.
      • Die ganze Welt (einschliesslich Präsident Trump) scheint sich einen schwächeren USD zu wünschen.
      • Die Bank Nordea schätzt, dass inzwischen genügend USD-Liquidität geschaffen wurde, um den USD um mindestens 10% abwerten zu lassen.

Die Finanzmärkte treten nun in die nächste Phase dieser Krise ein. Die erste Phase war von Panikverkäufen geprägt, nachdem klar wurde, dass ein ausser Kontrolle geratenes Virus sich über den ganzen Globus ausbreiten würde und die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzt. Auf den ersten Schock folgte die Aussicht auf noch nie dagewesene fiskalische und geldpolitische Stimuli. Nun ist die „wirtschaftliche Fallout-Phase“ gekommen, in der wir harte Daten des wirtschaftlichen Stillstandes im Westen zu sehen bekommen – und das während die Infektionsfälle in den USA immer noch rapide ansteigen. Vieler Investoren werden in dieser Phase ihre Strategie und ihre Positionierung in Frage stellen.

Pandemie:

    • Spanien und Italien haben wahrscheinlich bereits ihren Infektions-Höhepunkt erreicht, während Frankreich wahrscheinlich kurz davor steht (innerhalb der nächsten Woche).
    • Grossbritannien und die USA befinden sich weiterhin in der Beschleunigungsphase der Ansteckungen. Das Weisse Haus schätzte, dass der Höhepunkt des Wachstums in zwei Wochen erreicht wird, was sich als zu optimistisch erweisen könnte.

Öl:

    • Ein Rohölpreis in bei rund 20 USD bedroht die Zahlungsfähigkeit der Ölindustrie.
    • Die Entscheidung Russlands, die Produktion nicht zu erhöhen, mag zwar helfen, ebenso wie die Entscheidung Chinas, Ölreserven anzulegen, aber die Angebotsschwemme muss erst über Zeit abgebaut werden, bevor es zu einer dauerhaften Erholung kommen kann.
    • Sollten tatsächlich die Kapazitäten der weltweiten Öl-Lager erschöpft werden, könnten die Preise theoretisch nochmals sinken. Eine koordinierte Intervention, bevor dieser Punkt erreicht würde, ist aber wahrscheinlich – trotz des Streits zwischen Russland und Saudi Arabien.
    • Heute überraschte Präsident Trump die Märkte mit zwei Tweets, in denen er erklärte, dass Russland und Saudi-Arabien bereit sein könnten, die Produktion um 10 bis 15 Millionen Barrel/Tag zu reduzieren.
      • Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Marktkommentars haben die beiden Parteien seine Aussage nicht bestätigt. Wir empfehlen daher, diese Aussagen zunächst einmal mit der nötigen Skepsis aufzunehmen.
      • Eine Produktionskürzung in dieser Grössenordnung würde den Ölpreisen zwar helfen, einige Analysten schätzen aber, dass alleine der gesamte derzeitige Nachfrageeinbruch ein Volumen von 20 – 30 Millionen Barrel/Tag aufweist.

Kernaussage:

Die kommenden Tage werden zeigen, inwieweit die jüngste Zwischenrallye nur durch Umschichtungen institutioneller Investoren am Quartalsende getrieben wurde. In der Vergangenheit endeten Bärenmärkte so gut wie nie mit nur einem einzigen massiven Abverkauf, ohne dass dieser Boden zumindest erneut getestet wurde. Wir werden sehen, wie sich dieser Bärenmarkt entwickelt.

Die gute Nachricht ist, dass die politischen Entscheidungsträger früh und mutig gehandelt haben und damit voraussichtlich eine lange, strukturelle Rezession verhindern können.

Wir wollen an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, dass der Schock diesmal nicht von einem fragilen Finanzsystem ausging. Auch waren die fundamentalen Bedingungen im Vorfeld dieser Krise deutlich besser als bei der Finanzkrise 2008. Die Unternehmen hatten diesmal solidere Bilanzen, Verbraucher höhere Sparquoten und die Beschäftigung war auf Rekordniveau.

All dies bedeutet, dass die Chancen für eine Erholung in der zweiten Hälfte dieses Jahres noch immer recht gut sind. Vorerst aber werden Fragen nach der Dauer des Lockdowns und ob die Vertrauenskrise der Verbraucher eingedämmt werden kann weiter für Unsicherheit an den Märkten sorgen.

Positionierung:

Unsere Einschätzung zu den Aktienmärkten bleibt unverändert: einzelne Werte haben bereits auf sehr attraktive Niveaus korrigiert, wenn auch die Bewertungen der globalen Aktien und der US-Aktien im Besonderen (noch) nicht sehr günstige Niveaus erreicht haben.

Wir haben daher die jüngste Erholung genutzt, um unser breites Marktexposure zu reduzieren. Auf der anderen Seite haben und werden wir weiterhin schrittweise in unsere bevorzugten Unternehmen investieren. Wir glauben, dass viele der alten Leader  (z.B. MSFT, GOOGL, AMZN, NESN, ROGN) stark aus dieser Krise herauskommen sollten.

Darüber hinaus haben wir unser strategisches und taktisches Gold-Engagement erhöht.

Wir sehen die Kombination aus negativen Realrenditen und steigenden Haushaltsdefiziten als einen deutlichen Rückenwind für Gold gegenüber anderen „sicheren Häfen“ wie z.B. Staatsanleihen. Die Netto-Emission von US-TBills wird diese Woche einen Rekord von 279 Milliarden USD erreichen, da das US-Finanzministerium mit der Finanzierung des 2 Billionen USD schweren Konjunkturpakets beginnt. Wir werden genau beobachten, wie sich dies auf die Renditen der US-Treasuries auswirkt.

Ihr FINAD CIO-Team

Quelle: Bloomberg, The Market Ear, Goldman Sachs, Alpine Macro, JP Morgan, Hightower Advisors, PineBridge, HSBC, Gavekal, Canaccord, Natixis, Morgan Stanley, MRP Partners, The Morning Bre

 

 

Anhang

Dividenden sind kein Platz zum Verstecken…

Wir haben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Bärenmarkt nicht einfach mit dem letzten zu vergleichen ist. Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich diesmal nicht um eine „Bilanzkrise“ wie in 2008, sondern um eine „Cash-Flow-Krise“ handelt.

Ein bedeutender Teil der Weltwirtschaft sieht sich mit einem plötzlichen Umsatzeinbruch konfrontiert. Diese Unternehmen sind nun verzweifelt bemüht Liquiditätsabflüsse zu reduzieren. Das hat zur Folge, dass Unternehmen ihre Dividenden streichen werden. Viele Unternehmen sehen sich sogar politischem Druck ausgesetzt, dies zu tun.

Die alte Börsenweisheit, sich in Dividendenwerte zu verstecken, wird daher in dieser Krise nicht funktionieren. Das ist besonders für europäische Aktien relevant, da sie im Vergleich zu den USA tendenziell höhere Dividendenrenditen aufweisen. Für Pensionsfonds, die stark in Dividendenstrategien investiert sind, könnte der Schlag besonders schwerwiegend sein.

    • Die Strategen von Morgan Stanley sehen einen „beispiellosen Druck“ auf die europäischen Dividenden, wobei sie 94% der Auszahlungen im Einzelhandel und 70% im Luxusbereich als risikobehaftet bezeichnen.
    • Mindestens 96 Unternehmen im Stoxx 600 Index haben bereits ihre Dividenden gestrichen oder deren Auszahlung verzögert.
    • Die französische Regierung warnte, dass sie die finanzielle Unterstützung von Unternehmen, die Dividenden zahlen, kürzen oder zurückhalten wird, und forderte die Vorstände auf, die Liquidität zur Unterstützung des Personals und des Betriebs zu schonen.