Die letzten Tage haben eine dramatische Zunahme der weltweiten Besorgnis über das COVID-19-Virus gezeigt. Angesichts von mehr als 80’000 Infizierten und der Ausbreitung der Krankheit bis nach Italien sind die Aktienkurse an den internationalen Aktienmärkten in den letzten Tagen um 5 bis 10% gefallen, während die Realrenditen in den USA neue Tiefststände erreicht haben. Alle wichtigen Aktienindizes der Industrieländer befinden sich jetzt seit Jahresbeginn im negativen Bereich und die unbekümmerte Anlegerstimmung vom Januar hat sich in eine regelrechte Angst verwandelt.

Die Finanz- und Mainstream-Medien berichten nun ununterbrochen über eine potenziell katastrophale globale Pandemie. Aber ist dieses gegenwärtige Niveau der Angst wirklich gerechtfertigt oder erleben wir ein negatives Überschiessen?

Wir sind zweifellos Zeuge tragischer Ereignisse menschlichen Ausmasses, Unterbrechungen in den Lieferketten in der ersten Jahreshälfte sind sehr wahrscheinlich und bei grossen Sportveranstaltungen in diesem Jahr besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie abgesagt werden. Trotz alledem sind wir der Überzeugung, dass dies nicht die Zeit ist, in Panik zu geraten.

Obwohl die Unsicherheit bezüglich der makro- und mikroökonomischen Aussichten hoch ist und die Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersehbar sind, können wir anhand von früheren Perioden und aktuellen Marktdaten beurteilen, wo wir uns in der aktuellen Korrektur befinden:

1) Betrachtet man frühere Perioden von Marktstress, könnte das Schlimmste bereits vorbei sein

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts, liegt der S&P 500 -8% unter seinem Höchststand. Was diese Korrektur bereits auf ein Niveau bringt, das mit dem Durchschnitt früherer Marktrückschläge übereinstimmt. Seit dem Tiefstand im März 2009 erlebte der S&P 500 25 Rückschläge von mehr als -5% – und viele von ihnen fühlten sich zeitweise wie das Ende der Welt an. Die durchschnittlichen Rückschläge dieser Korrekturen betrug -7,9%, so dass wir hier vielleicht schon nahe an der Talsohle angelangt sind. Die Ebola-Angst im Oktober 2014 führte zu einer Korrektur von etwa -10% im S&P 500, bevor dieser einen Monat später neue Höchststände erreichte.

 

2) Der Volatilitätsindex (VIX) liegt bei 28

Ein VIX (auch „The Fear Index“ genannt) auf einem Niveau von 28 zeigt einen schweren Marktstress an: Die Anleger verkaufen Risikoanlagen und treiben den Preis von Absicherungsinstrumenten in die Höhe. Wenn Sie darüber nachdenken, jetzt Put-Optionen zu kaufen, bedenken Sie, dass ein VIX bei 28 eine erwartete Schwankung des S&P 500 um +/- 1,75% impliziert – jeden Tag für den nächsten Monat. Für uns bedeutet dies, dass Put-Optionen für die Portfolio-versicherung derzeit sehr unattraktiv bewertet sind, und wenn überhaupt, dann könnten Anleger versuchen, diese Volatilitätsprämie durch den Verkauf von Put-Optionen zu verdienen, anstatt sie zu kaufen.

 

3) Auch andere Stimmungsmessungen zeigen Anzeichen extremer Angst der Investoren

    • Am Montag schlossen rund 90% der Aktien an der NYSE negativ ab; ein Zeichen breiter Marktkapitulation.
    • Der CNN-Index für Angst und Gier erreichte gestern 22. In der Vergangenheit waren Niveaus um 20 klare konträre Kaufindikatoren.
    • Mehr als 75% der Aktien des S&P 500 liegen unter ihrem 50-Tage-Moving-Average (zugegebenermassen kann dieser Anteil wie im Dezember 2018 weiter auf 90% sinken).

 

4) China könnte bereits vor einem Monat die Tiefststände erreicht haben

Offensichtlich ist China bei dieser Virus-Angst weiter als andere Regionen. Interessanterweise sind die grossen chinesischen Indizes wie der CSI 300 und der ChiNext seit ihren ersten Rückgängen (rund -10%) Ende Januar bereits stark gestiegen. Nicht zuletzt aufgrund einer starken Intervention der chinesischen Zentralbank. Es ist vernünftig, ähnliche Massnahmen der EZB und der Federal Reserve anzunehmen, wenn sich das Virus weiter ausbreitet.

 

Unsere Empfehlung für ein ausgewogenes Portfolio:
Es könnte verlockend sein, hier zu versuchen, den Markt zu timen. Aber die Realität sieht so aus, dass man in volatilen Märkten wie diesen viel eher den richtigen Zeitpunkt zum Wiedereinstieg verpasst. So stieg der S&P 500 beispielsweise am nächsten Tag um +5,2%, nachdem der Markt am 24. Dezember 2018 seinen Tiefststand erreicht hatte. Wenn man diesen einzigen Aufwärtstag verpasst hätte, wäre man dem Markt danach deutlich hinterhergehinkt.
Anstatt das Gesamtmarktrisiko zu verändern, halten wir es daher für klug, selektive regionale und sektorale Anpassungen im Portfolio vorzunehmen.
So rotieren wir aus Unternehmen, die von globalen Lieferketten abhängen oder stärker von Verbraucherausgaben abhängig sind, während wir in defensive Qualitätsunternehmen in den Bereichen Software, saubere Energie und Lebensmittel investieren.
Insgesamt erwarten wir zum jetzigen Zeitpunkt, dass sich auch dies als eine der vielen Korrekturen dieses Zyklus und nicht als ein Beginn eines zyklischen Abschwungs erweisen wird. Beängstigend zu durchleben, aber letztlich nur Volatilität für einen langfristigen Investor.

Ihr Christian Tury