Laut dem Polish Economic Institute verlieren die EU-Staaten jährlich 170 Milliarden Euro an Steuern durch sogenannte Steueroasen. Aber Vorsicht! Wer jetzt dank Offshore Leaks an so klingende Destinationen wie Cayman Islands, Panama oder Fidschi denkt, irrt. Es handelt sich hierbei in erster Linie um Steueroasen innerhalb der EU. Ja, richtig gelesen. Zu diesen Ländern zählen allen voran die Niederlande, Luxemburg und Zypern.

Als Steueroasen werden grundsätzlich jene Länder außerhalb der EU bezeichnet, die von anderen Staatsangehörigen zur Minimierung ihrer Steuerlast genutzt werden. In diesen Niedrig- bzw. „Garnicht“-besteuerungsländern wird normalerweise eine geringe Steuerbemessungsgrundlage, die nicht den tatsächlichen Einkünften entspricht, oder niedrige Steuersätze verwendet.

Neben der Niedrigbesteuerung gibt es in diesen Ländern häufig auch fehlende Transparenz sowie kein Abkommen zum Informationsaustausch. Dabei werden in Steueroasen oft rechtliche Rahmenbedingungen missachtet bzw. individuell so gestaltet, dass eine Nachvollziehbarkeit unmöglich ist. Der fehlende Informationsaustausch sorgt dafür, dass bestimmte Einkünfte auch nicht im Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen besteuert werden können.

Google, Facebook, Starbucks & Co – das sind nur einige wenige Paradebeispiele die von diesen Steuerschlupflöchern profitieren. Google beispielsweise transferierte im Jahr 2018 über 21 Milliarden Euro über die Niederlande auf die Bermudas, steuerfrei. Das nennt man dann „Double Irish, Dutch Sandwich“. Mittlerweile ist diese Praxis Geschichte und es stellt sich die Frage ob Steuerparadiese tatsächlich noch als Oasen angesehen werden können oder doch viel mehr zu einer Fata Morgana werden.

Denn was dem Steuerpflichtigen selbst viele Vorteile verschafft, lastet stark auf den Schultern der übrigen Staaten. Das Vorhandensein von Steueroasen führt nämlich dazu, dass anderen Staaten Steuersubstrat entzogen wird und es in diesen Ländern zu Einnahmeausfällen kommt, welche die Begrenzung von staatlichen Leistungen oder einen höheren Verschuldungsgrad zur Folge haben. Zusammen mit der zunehmenden medialen Präsenz, insbesondere im Hinblick auf die Besteuerung großer Unternehmen wie Google, Facebook & Co, rückte die Bekämpfung der Steuervermeidung durch Steueroasen immer mehr in den Mittelpunkt der politischen und medialen Diskussion.

Basierend auf dem im Jahr 2015 ins Leben gerufenen Maßnahmenpaket der OECD (Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)) schuf die EU mit ihren Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) konkretere Maßnahmen zur Verringerung von Steuervermeidung. Anders als das BEPS-Projekt sehen die ATAD eine verpflichtende Umsetzung dieser für die EU-Mitgliedstaaten vor.

Diese Maßnahmen finden in den Steuergesetzen vieler Länder, so auch in Österreich Deckung, beispielsweise durch Regelungen zur Besteuerung von Passiveinkünften (wie zB Zinsen, Lizenzgebühren, Einkünfte aus Finanzierungsleasing).

Des Weiteren wurden durch die ATAD, Regelungen für die Verhinderung von Missbrauch im österreichischen Gesetz verankert. In § 22 BAO wird festgelegt, dass rechtliche Gestaltungen, deren Zweck alleinig in der Erlangung steuerlicher Vorteile besteht, steuerlich nicht anerkannt werden und somit keine Umgehung der Abgabepflicht möglich ist. Ausgenommen von diesem Missbrauchstatbestand sind steuerliche Gestaltungen, die auf triftigen wirtschaftlichen Gründen basieren, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln. Damit wird insbesondere auf die Unterscheidung zwischen „fiktiven“ Gestaltungen im Sinne einer Briefkastenfirma zu „realen“ Gestaltungen abgestellt.

Auch die sogenannte Entstrickungs- bzw. Wegzugsbesteuerung soll den Verlust des Steuersubstrats zur Steuervermeidung ins Ausland verhindern. Bei der Wegzugsbesteuerung kommt es zum Zeitpunkt des Verlustes des Besteuerungsrechtes eines Staates zur Aufdeckung stiller Reserven und zu einer sofortigen Besteuerung. Insgesamt soll mit diesen Regelungen verhindert werden, dass es zu einer möglichen Einschränkung des Besteuerungsrechtes eines Staates kommt.

Zusätzlich zu den international verpflichtenden Regelungen wird durch die OECD auch jährlich eine Liste der nicht kooperativen Länder und Gebiete für Steuerzwecke veröffentlicht. Durch diese „schwarze Liste“ sollen jene Staaten, welche wenig Kooperation hinsichtlich der Transparenz ihres Steuersystems sowie des Austausches von Informationen aufweisen, öffentlich an den Pranger gestellt werden, um eine bessere Zusammenarbeit erreichen zu können. Mit Stand 2021 werden dort 12 Länder aufgelistet. Dazu zählen Amerikanisch-Samoa, Anguilla, Domenica, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Samoa, die Seychellen, Trinidad & Tobago, die US-Jungferninseln sowie Vanuatu. Auch die BEPS-Mindeststandards werden in diesen Gebieten nicht umgesetzt. Des Weiteren werden Länder aufgelistet, die noch nicht umfassend alle Hemmnisse beseitigt haben, aber hinreichende Zusagen dazu getätigt haben. Dazu zählen unter anderem die Türkei, Barbados, Botswana sowie Australien.

Die Niederlande finden sich auf dieser Liste zwar nicht, aber die EU-Mitgliedstaaten und das unterschiedliche Steuersystem werden auch in Zukunft das ein oder andere Schlupfloch zur Steuerersparnis ermöglichen. Solange es kein einheitliches Steuersystem innerhalb der EU gibt, wird man mit entsprechendem Aufwand Möglichkeiten finden, seine Steuern zu optimieren. So bieten einige EU Länder wie Italien, Portugal verschiedene Arten von Pauschalbesteuerungen an und werden damit ähnlich attraktiv wie Monaco.

Ob es den Aufwand lohnt, Schachtelkonstruktionen mit Holdings in Gibraltar zu verwenden oder gar aus steuerlichen Überlegungen seinen Wohnsitz auf die Cayman Island zu verlegen, hängt von der Größenordnung und der möglichen Steuerersparnis ab. Zu beachten ist aber jedenfalls, dass die EU-Mitgliedstaaten nicht untätig dabei zusehen, wie ihnen die Steuergelder durch die Lappen gehen. Das steuerrechtliche Korsett wird immer enger geschnürt und die Schlupflöcher immer weniger. Und im Alltag sind komplizierte Konstruktionen oft nachteilig bei der Eröffnung von Geschäftskonten oder bei Investitionen. Das größte Risiko – insbesondere für große und bekannte (Familien-)Unternehmen liegt aber nicht nur in möglichen Steuernachzahlungen bzw. Strafen, sondern in dem immer lauter werden gesellschaftlichen Diskurs zu diesem Thema. Der Imageschaden ist meist ein weit größerer als der Körperschaftsteuersatz von 25 % (in Österreich).

Für Familien, deren Familienangehörige in unterschiedlichen Jurisdiktionen wohnen, gibt es dennoch Möglichkeiten, etwaige steuerliche Nachteile des Wegzuges durch Strukturierungen zu mildern oder ganz zu verhindern. Ebenso lohnt es sich bei Neugründungen von Unternehmen die steuerlichen Gegebenheiten in den in Frage kommenden Ländern genau zu prüfen und so eine steuerlich optimale Lösung zu generieren.

Aber wenn uns die Erfahrung eines gezeigt hat: Die steuerliche Attraktivität alleine reicht nicht aus, um Veränderungen des Lebensmittelpunktes auszulösen.

Ferdinand Rossbacher
Partner