Steuerlich motivierte Vermögensverlagerung ins Ausland ist nichts Neues. Das Wechselspiel zwischen Steuereintreibung und Steuervermeidung ist so alt wie Steuersysteme.

Besonders Unternehmen und internationale Konzerne können günstige Standorte für Steuern gut nutzen. Durch Konzernstrukturen mit zahlreichen Tochterunternehmen in den verschiedensten Ländern gelingt es, einzelne Prozesse aufzuspalten und die Steuerlast in weiterer Folge zu minimieren. Die steuerlichen Gewinne werden dabei meist in jenen Ländern ausgewiesen, in welchen die Steuerlast am geringsten ausfällt.

Aber auch Privatpersonen suchen immer nach Möglichkeiten, ihre Steuerlast zu minimieren. Dabei spielt immer wieder auch die Überlegung der Verlegung des Wohnsitzes eine Rolle. Viele Länder locken besonders vermögende Privatpersonen oder Investoren mit niedrigen Einkommensteuersätzen, Steuerbefreiungen und sonstigen Erleichterungen. Länder wie Luxemburg, die Niederlande, die USA oder die Schweiz gelten dann je nach Blickwinkel als steuerlich interessante Standorte oder als Steueroasen.

In der Schweiz, dem „Mutterland“ der FINAD, gibt es generell im internationalen Vergleich sehr geringe Steuersätze. Besonders für Unternehmen bildet die Schweiz einen attraktiven Standort, da diese besonders von den niedrigen Unternehmenssteuern profitieren können. Aber auch die Besteuerung von Spitzeneinkommen ist sehr gering. Der Kanton Zug befindet sich mit einem Steuersatz von 22,4% unter den Top 10 der niedrigsten Spitzensteuersätze weltweit.

Auch Österreich galt immer wieder als Steueroase, sei es aufgrund des Bankgeheimnisses, sei es aufgrund der Einführung der Privatstiftungen im Jahr 1993. Um Arbeit und Kapital in Österreich zu sichern, wurde diese Rechtsform mit zahlreichen Steuerbegünstigungen eingeführt. Die Befreiung der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie von Veräußerungsgewinnen waren einige dieser Vorteile. Es sollte dem Abfluss von Vermögen in Stiftungen in der Schweiz und Liechtenstein entgegengewirkt und ausländisches Kapital angelockt werden. Die wesentlichen steuerlichen Begünstigungen bzw. Anreize für die Gründung einer Privatstiftung in Österreich gibt es aber heute nicht mehr. Im Gegenteil, Österreich zählt im internationalen Vergleich mittlerweile zu jenen Ländern mit dem höchsten Spitzensteuersatz, der bei 55 % liegt. Im Vergleich mit anderen europäischen Staaten zeigt sich auch für Steuerzahler aus anderen Steuerklassen ein viel höherer Durchschnittsteuersatz. Ähnliches gilt für Deutschland, wo die Besteuerung sowohl von Unternehmen als auch von Privatpersonen im internationalen Vergleich eher höher ist.

Motive für eine Vermögensverlagerung gibt es unterschiedliche. Ein wesentlicher Faktor hierbei ist die Rechtsunsicherheit und die „Angst“ vor neuen Steuern, insbesondere Steuern auf Vermögen. Der in einem unserer letzten Beiträge bereits thematisierte Lenkungseffekt der Steuern darf nicht außer Acht gelassen werden. Steuern sollen – im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips – zu einer gerechteren Verteilung der Einkommen und Vermögen führen. Würde aber zum Beispiel die Einführung einer Vermögenssteuer tatsächlich zu mehr Gerechtigkeit führen oder würde es dadurch eher zu einer Verschlechterung der Investitionsbedingungen für Unternehmen kommen? Wären die Erhebungskosten dieser Steuer im Verhältnis zu den Mehreinnahmen vertretbar? Oder würde eine Vermögenssteuer eher einen Anreiz zu Vermögens- und Wohnsitzverlagerungen ins Ausland setzen? Vermögensverlagerungen ins Ausland führen nicht nur zu Steuerausfällen, sondern zerstören auch das Vertrauen in das Steuersystem und sorgen auch für einen ständigen Wettbewerb sinkender Steuersätze.

Hohe Steuern – oder die Diskussion um Steuererhöhungen, wie gerade aktuell nach der Corona Krise – senken die Standortattraktivität für Privatpersonen deutlich und führen dazu, dass diese Überlegungen zur Verlegung ihrer Wohnsitze in günstigere Länder anstellen. Denn die internationale Vernetzung hat nicht nur dazu geführt, dass die grenzüberschreitende unternehmerische Tätigkeit forciert wurde, sondern auch, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht mehr nur an einem Ort festgemacht wird. Menschen sind heute viel mobiler und die Entscheidung eines Wohnsitzes in z.B. München oder Zürich oder Wien ist vor allem eine emotionale, aber keine schwierige organisatorische Frage mehr. Die Verlagerung von Vermögen ins Ausland bringt aber steuerliche Konsequenzen in Form der Wegzugsbesteuerung mit sich, wie wir am Beispiel Österreichs – grundsätzlich gilt das hier Gesagte aber für fast alle EU-Staaten in ähnlicher Form – verdeutlichen wollen:

Immer dann, wenn das Besteuerungsrecht der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten eingeschränkt wird, kommt es zur sogenannten Wegzugsbesteuerung. Eine Einschränkung kann insbesondere durch Wohnsitzverlegung ins Ausland und Entfall der unbeschränkten Steuerpflicht bzw. Verlegung des Mittelpunkts der Lebensinteressen ins Ausland erfolgen. Aber auch eine unentgeltliche Übertragung (Schenkung oder Erbschaft) von Kapitalvermögen an einen Steuerausländer, eine Einlage in einen ausländischen Betrieb, für den Österreich kein Besteuerungsrecht hat, oder durch Übertragung auf eine ausländische Stiftung führen zu einem steuerlich relevanten Wegzug.

Die Wegzugsbesteuerung findet nicht nur im betrieblichen, sondern auch im außerbetrieblichen (privaten) Bereich Anwendung. Mit der sogenannten Wegzugsbesteuerung soll die Besteuerung der stillen Reserven – die während der nationalen Steuerhoheit entstanden sind – gesichert werden. Nach dem EuGH entsprechen diese Maßnahmen dem Territorialprinzip, welches für die Mitgliedstaaten bedeutet, dass jene Wertzuwächse besteuert werden dürfen, die während der Steueransässigkeit des Steuerpflichtigen im Inland entstanden sind.

Sowohl im außerbetrieblichen als auch im betrieblichen Bereich kommt es grundsätzlich zu einer sofortigen Festsetzung der Steuerschuld im Zeitpunkt des Wegzugs. Auf Antrag kann eine Ratenzahlung der festgesetzten Steuerschuld beantragt werden. Im außerbetrieblichen Bereich gibt es darüber hinaus noch die Möglichkeit (auf Antrag) die Steuerschuld bis zur tatsächlichen Veräußerung des Wirtschaftsgutes bzw. Derivats nicht festzusetzen.

Aber auch der umgekehrte Fall ist denkbar. Der Zuzug erfasst alle Umstände, die Österreich das Besteuerungsrecht verschaffen. Im Falle des Eintritts in das österreichische Besteuerungsrecht gilt der gemeine Wert des Kapitalvermögens als Anschaffungskosten. Dieser sogenannte Step-up der Anschaffungskosten auf den gemeinen Wert kann zu einem steuerlichen Vorteil bei einer möglichen späteren Veräußerung führen.

Hohe Steuern, ob tatsächlich oder drohend, führen immer zu mehr Bestrebungen, diesen Steuern zu entkommen. Angesichts der aufkommenden Diskussion um neue Vermögenssteuern in vielen EU-Mitgliedstaaten ist damit zu rechnen, dass sich mehr Steuerpflichtige Gedanken dazu machen, Teile ihres Vermögens in andere Jurisdiktionen zu verlagern. Diese Vermögensverlagerungen ins Ausland sind grundsätzlich immer mit steuerlichen Konsequenzen verbunden und sollten daher vorab mit einem Berater abgeklärt werden.

Von Steuerberater MMag. Ferdinand Rossbacher