In den letzten Jahren war die Inflation in der Schweiz so tief, dass viele Anlegerinnen und Anleger das Thema Inflationsschutz vernachlässigten. Das könnte sich ändern, wenn die Teuerung weiter steigt. Immobilien sollen vor Inflation schützen. Stimmt das wirklich?

Die Inflation liegt erstmals seit der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 über der von der SNB anvisierten Obergrenze von 2 Prozent. Mit 2,9 Prozent (Mai 2022) ist die Teuerungsrate so hoch wie zuletzt im Juni 2008. Sind Immobilien ein wirksamer Inflationsschutz

Im Mai 2022 sind die Preise im Jahresvergleich um 2,9 Prozent gestiegen. Das ist im internationalen Vergleich wenig, aber für uns ungewohnt viel: In den letzten zehn Jahren stieg der Landesindex der Konsumentenpreise nie stärker als um 0,9 Prozent. Darum hat die Schweizerische Nationalbank am 16. Juni den Leitzins erstmals seit 15 Jahren erhöht. Früher und vor allem stärker als von vielen Fachleuten erwartet um 50 Basispunkte auf minus 0,25 Prozent. Mit dieser Zinserhöhung will die SNB den Konsum bremsen, damit die Preise und die Inflation sinken. Dafür werden Kredite und Investitionen teurer.

Sobald die Teuerung anzieht, investieren Anleger vermehrt in Real- oder Sachwerte wie Immobilien, um sich vor dem drohenden Kaufkraftverlust zu schützen. Wie wirksam schützen Direktinvestitionen in Immobilien oder indirekte Investitionen in Immobilienaktien, -anlagefonds und -ETF vor Geldentwertung?

Was passiert, wenn die Zinsen steigen?

Die Privatbank Rahn+Bodmer hat untersucht, wie sich Immobilienaktien und -fonds in Phasen steigender Zinsen entwickelt haben. Dafür hat sie den SXI Real Estate Broad (40 Fonds und 16 Aktien) und den SXI Real Estate Funds Broad (40 Fonds) analysiert. Fünf von acht Mal haben die Immobilienindizes schlechter abgeschnitten als die gängigen Schweizer Aktienindizes. Seit Anfang 2022 haben Immobilienfonds mit der Verschiebung der Zinskurve an Wert verloren und ihren Renditevorteil gegenüber Staatsanleihen der Eidgenossenschaft sowie Unternehmensanleihen (AA- bis BBB-Rating) teilweise eingebüsst. Die Renditeprämie im Vergleich mit zehnjährigen Schweizer Staatsanleihen ist in den letzten zwölf Monaten deutlich gefallen. Die sinkende Renditeprämie drückt auf die Kurse der Immobilienfonds. Fazit: Immobilienfonds tendieren in Phasen steigender Zinsen dazu, schlechter zu performen als Aktien.

Gewerbeimmobilien oder Wohnimmobilien?

Immobilien gelten als krisensicher. Ihr Inflationsschutz wird allerdings oft überschätzt und ist umstritten. Konsens ist, dass Immobilien langfristig besser vor Inflation schützen als kurz- oder mittelfristig und neue besser als ältere Immobilien, die teuer renoviert oder gar saniert werden müssen. Zwischen den Immobilienkategorien gibt es einige Unterschiede.

  • Selbstbewohntes Wohneigentum: Mit einem Haus oder einer Wohnung profitieren Sie vom steigenden Wert und von der kaufkraftbereinigt sinkenden Verschuldung. Allerdings sind die Immobilienpreise in der Schweiz in den letzten 20 Jahren kräftig gestiegen und dürften in den nächsten Jahren kaum mehr so stark steigen. Der Inflationsschutz von selbstbewohntem Wohneigentum ist an guten Lagen wie in Städten oder mit Seesicht grösser als irgendwo in der Peripherie. Sobald die Preise für Immobilien weniger stark steigen als die Teuerung, schützt Wohneigentum nicht mehr vor Inflation.
  • Renditeliegenschaften: In den letzten Jahren haben immer mehr Anleger Immobilien als Anlagealternative gekauft. Institutionelle Anleger Mehrfamilienhäuser, private Anleger Eigentumswohnungen oder Mehrfamilienhäuser. Der Inflationsschutz ist geringer als bei selbstbewohntem Wohneigentum, weil Reparaturen, Sanierungen und Unterhalt teuer sind und die Kosten meist stärker steigen als die Mieten erhöht werden können. Das Mietrecht ist stark reguliert, die Mieten sind an den Referenzzinssatz gekoppelt, Sanierungs- und Unterhaltskosten dürfen nicht einfach so 1:1 überwälzt werden.
  • Gewerbeimmobilien sind konjunktursensibler als selbstbewohntes Wohneigentum oder Renditeliegenschaften. Wenn die Inflation steigt und die steigenden Zinsen das Wirtschaftswachstum bremsen, sinkt in der Regel die Nachfrage nach Gewerbeimmobilien. Mieter ziehen aus oder wollen ihre Mietverträge neu verhandeln. Die Folge sind tiefere Quadratmeterpreise und höhere Leerstandsquoten. Beides drückt auf die Rendite. Darum schützen Gewerbeimmobilien nur bedingt vor Inflation.

Von 1 auf 2,5 Prozent in nur einem Jahr

Viele Anleger haben mit Immobilien solide Renditen erwirtschaftet. Die letzten Jahre waren durch ein Geldmengenwachstum ohne starkes Wirtschaftswachstum geprägt – das günstige Geld war einer der stärksten Preistreiber am Immobilienmarkt. Mit der ersten Leitzinserhöhung seit 2007 dürfte sich das ändern: Festhypotheken mit zehn Jahren Laufzeit kosteten nach dem SNB-Entscheid zweieinhalb mal so viel wie vor einem Jahr. Darum sollten Sie sich überlegen, ob Sie einen Teil Ihrer Immobilien, Immobilienaktien, Immobilienfonds oder Immobilien-ETF verkaufen – vor der Inflation schützen sie nur bedingt.

«Immobilien gehören in jedes Portfolio. Wie hoch der Anteil ist, hängt von Ihrer persönlichen Situation und von Ihren finanziellen Zielen ab. Am besten reden Sie mit einem unabhängigen Berater.»