Kurzarbeit, Härtefallfonds, Corona-Hilfsfonds- viele Förderungen und finanzielle Unterstützungen begleiten uns in den letzten Monaten und bringen Unternehmerinnen und Unternehmer an die Grenzen ihrer Geduld und Leistungsfähigkeit. Unter dem Deckmantel des Corona-Hilfspaketes haben die europäischen Regierungen schnell reagiert, Arbeitsplätze gesichert und den Wirtschaftsstandort gestärkt – „Koste es, was es wolle!“.

Aber ist das wirklich so? Haben wir den Standort gestärkt oder langfristig geschwächt? Woher kommt das Geld für die getroffenen Maßnahmen? Wie werden die von der Regierung beschlossenen Milliarden-Hilfspakete finanziert? Müssen wir uns auf neue Steuern einstellen?

Ja, denn anders lassen sich diese – aus heutiger Sicht notwendigen und für Unternehmen wichtige Maßnahmen – nicht finanzieren. Um zu verstehen, welche Möglichkeiten für allfällige Steuerreformen bestehen, sollte zunächst der Sinn und Zweck von Steuern näher betrachtet werden.

Steuern werden als Geldzahlungen in Form von „Zwangsabgaben“ an den Staat definiert, welchen keine direkte Gegenleistung gegenübersteht. Sie dienen vorwiegend der Finanzierung des Staates, erfüllen aber darüber hinaus in manchen Bereichen auch noch eine Lenkungsfunktion. Will der Staat ein gewisses Verhalten der Bürger fördern oder unterbinden, so kann er dies mittels niedriger bzw. hoher Abgaben tun. Ein Beispiel hierfür wäre die Tabaksteuer, welche den ungesunden Umgang mit Zigaretten vermindern und das Rauchen eindämmen soll.

Eine weitere wichtige Funktion von fiskalischen Abgaben ist die Umverteilung zur Gewährleistung sozialer Gerechtigkeit. In der Einkommensteuer spiegelt sich diese Funktion in den progressiven Tarifstufen wider. Steuerzahler mit niedrigem Einkommen unterliegen prozentual einer geringeren Steuerlast als jene mit hohem Einkommen. Es soll zur finanziellen Entlastung von Geringverdienern kommen. Damit ist auch dem Leistungsfähigkeitsprinzip, welches jedem Staatsbürger entsprechend seiner Leistungsfähigkeit ein Steueropfer abverlangen soll, Rechnung getragen.

Wie „neue“ Steuern aussehen könnten, wissen wir nicht. Jedenfalls wird wieder einmal mit der Keule der Vermögenssteuern, der Erbschafts- und Schenkungssteuern als „Beitrag der Reichen“ parteipolitisch gewirbelt. Und in Deutschland gibt es neben der Erbschafts- und Schenkungsteuer auch noch den sogenannten Solidaritätszuschlag – ein Modell angeblich temporärer Steuern, das derzeit in einigen europäischen Ländern mit Interesse beäugt wird.

Der Solidaritätszuschlag – als Mittel zur Umverteilung – ist ein Zuschlag auf die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Als Bemessungsgrundlage wird die zu zahlende Lohn- bzw. Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer herangezogen. Im Jahr 2019 konnten durch den Solidaritätszuschlag in Deutschland 19,65 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen erzielt werden, was rund 2 % der gesamten Steuereinnahmen entspricht. Grund für die Einführung des Solidaritätszuschlages in Deutschland waren zunächst vor allem die zusätzlichen Kosten für die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Seit Jahren wird die Abschaffung des „Soli“, in erster Linie für die unteren Einkommensklassen diskutiert. Ob sie wie geplant 2021 durchgesetzt wird, ist angesichts der Kosten der Corona-Krise auch in Deutschland ein Fragezeichen. Jedenfalls ist der Solidaritätszuschlag ein gutes Beispiel für eine zusätzliche Steuer, vor allem für Besserverdiener. Angesichts der Tatsache, dass heuer 30 Jahre Deutsche Einheit gefeiert werden, ist der temporäre Charakter dieser Steuer nicht mehr offensichtlich.

Schon bereits vor der Coronakrise als geeignetes Wahlkampfthema ins Spiel gebracht, wird jetzt auch in Österreich die Diskussion über Vermögenssteuern neu angeheizt. Bei der Vermögenssteuer soll das Gesamtvermögen des Steuerzahlers als Grundlage herangezogen werden, allerdings erst bei Überschreiten einer gewissen Freibetragsgrenze. Die Johannes-Kepler-Universität hat diesbezüglich eine Studie veröffentlicht. Dieser zu Folge wären nur 4-7% der österreichischen Bevölkerung von dieser Steuer betroffen. Das reichste Prozent der österreichischen Privathaushalte verfügt nach der Studi über einen Anteil am Nettovermögen von 40,5% des Gesamtvermögens, sprich 534 Milliarden Euro. Würde man eine Vermögensteuer von 0,7 bis 1,5 Prozent für Nettovermögen über 1 Million Euro einführen, so könnte man mit 5,7 Milliarden Euro an Steuereinnahmen rechnen. Dabei sind auch allfällige Ausweicheffekte, z.B. die Verschiebung von Einkommen ins Ausland, berücksichtigt.

Anhand dieser Zahlen würden viele eine solche Maßnahme befürworten, was auch eine Befragung der Österreicher im Hinblick auf die Finanzierung der Folgen der Coronakrise ergeben hat. Darin sprechen sich 73% der Befragten für die Einführung einer Steuer für Vermögen über 1 Million Euro aus.

Was aber in der ganzen Diskussion über die Vermögensteuer oftmals vergessen wird ist, dass Vermögen zunächst einmal geschaffen werden muss und dafür muss auch ein Einkommen erzielt werden. Dieses unterliegt der Einkommensteuer und wurde somit bereits besteuert. Eine zusätzliche Vermögensteuer würde somit zu einer Doppelbelastung führen und dasselbe Vermögen zweimal besteuern. Gerade für Unternehmer, die zwar Betriebsmittel und Immobilien besitzen, könnte zwar Vermögen für die Besteuerung da sein, aber dennoch keine finanziellen Mittel um diese zu tragen.

Ein Beispiel dafür ist die Schweiz, wo die Vermögenssteuer – welche kantonal geregelt ist – in „teuren“ Kantonen bei sehr vermögenden Personen vereinzelt dazu führt, dass die jährlichen Erträge niedriger sind als die auf die Vermögenswerte verrechnete Vermögenssteuer.

Die Beratungsfirma KPMG hatte deshalb schon vor Jahren ein Rechenbeispiel aufgestellt, und vorgerechnet, dass Mark Zuckerberg schon vor dem Börsengang rund CHF 250 Mio. Vermögenssteuer zahlen hätte müssen und somit in Zürich mit seinem Unternehmen wohl nicht erfolgreich gewesen wäre.

In Spanien wurde, um derartige Auswirkungen zu verhindern, eine Höchstgrenze definiert. Der Gesamtbetrag von Einkommens- und Vermögenssteuer darf einen bestimmten Prozentsatz der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer nicht übersteigen.

Interessant ist auch, dass in 2017 nur mehr vier Staaten (Schweiz, Spanien, Frankreich und Norwegen) eine „echte“ Vermögenssteuer hatten. Denn bei genauer Betrachtung kennen praktisch alle OECD Staaten die Besteuerung von Grundeigentum, welche die effektivste Form der Vermögenssteuer darstellt.

Wie Deutschland und andere OECD Staaten, kennt auch Österreich seit 01.04.2012 die Vermögenszuwachsbesteuerung, welche ähnliche Effekte erzielt wie ein Vermögenssteuer, ohne den negativen Effekt der Vermögenssteuer, dass auch bei Verlusten im Vermögen eine Besteuerung erfolgt. Und vor allem ohne den politisch umstrittenen Begriff „Vermögenssteuer“ zu bemühen.

Auch die viel diskutierte Erbschafts- und Schenkungsteuer erscheint auf den ersten Blick als geeignetes Mittel um die Löcher der Staatskassen zu füllen. Ähnlich wie bei der Vermögensteuer ist die Frage, ob eine nicht gerade zum ersten Mal diskutierte Erbschafts- und Schenkungssteuer helfen kann, den Staatshaushalt zu sanieren. Im internationalen Vergleich ist eher ein Trend in Richtung Abschaffung denn (Wieder-)Einführung erkennbar. Österreich war ja mit der Abschaffung im Jahr 2008 ein Vorreiter. Doch was hat es mit der Erbschaft- und Schenkungssteuer auf sich?

Die Erbschaft- und Schenkungssteuer ist eine Steuer, die bei Vermögensübertragungen von Todes wegen sowie bei Schenkungen unter Lebenden anfällt. In Österreich betrug der Steuersatz bis 2008, je nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser zwischen 2 % bis max. 60 %. Daneben wurden noch Steuerbefreiungen und -ermäßigungen festgelegt wie beispielsweise ein Freibetrag bis zu EUR 7.300,00.

Die Einnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungssteuer erreichten damit „nur“ Mio. EUR 140. Eine Erbschaft- und Schenkungssteuer wird also tendenziell wenig zum „gemeinsam schaffen wir das“ –  Programm beitragen. Noch viel schlimmer scheint aber die Signalwirkung. Denn in einer Krisensituation, in der es vielen Unternehmern an die Substanz geht, mit einer Substanzsteuer (Vermögens- /Erbschafts- oder Schenkungsteuer) zu reagieren, wird den Flächenbrand nicht löschen können.

Ganz ohne neue Steuern wird es vermutlich auch nicht funktionieren und es ist fraglich ob das reine Ankurbeln der Wirtschaft die gewaltigen finanziellen Hilfsmaßnahmen abfangen wird können. Der Lenkungseffekt von Steuern darf aber nicht unterschätzt werden. Ein steuerlich motiviertes Abwandern von Vermögen ins Ausland hätte vermutlich nicht nur steuerlich verheerende Folgen sondern würde dem jeweiligen Wirtschaftsstandort langfristig nichts Gutes tun.

Daher kann davon ausgegangen werden, dass es weniger zu Steuern einzelner Staaten kommt, sondern auch noch andere, phantasievollere Finanzierungslösungen auf Ebene der EU, welche gerade jetzt ein Hilfsprogramm in noch nie gekanntem Ausmaß für die südlichen Mitgliedsländer der EU schnürt, besprochen bzw. ausgearbeitet werden. Damit kommt es dann zu einer Verteilung der Steuerbelastung innerhalb der EU.

Ein praktisches Beispiel lieferte diesbezüglich etwa Zypern. Unter dem Druck der Geldgeber-Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), musste Zypern der Beteiligung der privaten Bankkunden an der Rettung der Inselbanken zustimmen. Einlagen über EUR 100´000 wurden zuerst mit 37.5% besteuert um drei Monate später mit weiteren 10% auf das ursprüngliche Guthaben belastet zu werden. Wohlhabende Kunden verloren somit fast die Hälfte ihrer Einlagen, wobei zusätzlich auch noch die Anleihen der Bank in praktisch wertlose Aktien umgewandelt wurden.

Jeroen Dijsselbloem, zu diesem Zeitpunkt EURO-Gruppen-Chef, erklärte postwendend in Interviews mit der „Financial Times“ und der Nachrichtenagentur Reuters die Beteiligung von Anteilseignern, Gläubigern und Großkunden an Zyperns Bankenrettung zum Modellfall. Der Niederländer verkündete, der Privatsektor müsse sich darauf einstellen, bei künftigen Rettungsaktionen in anderen Ländern ebenfalls herangezogen zu werden. Dies ist keine Einzelmeinung.

Weitere Beispiele aus der jüngeren Geschichte sind Zwangsanleihen, welche die Bundesbank im Jahre 2018 für reiche Italiener forderte und die Spanien bereits einführte, Einmalabgaben oder langfristige zusätzliche Grundsteuern auf nicht in Eigennutzung stehenden Immobilien – zB. Lastenausgleichsgesetz aus 1952 in Deutschland.

Die konkreten Aussichten auf neue Steuern sind noch ungewiss, aber unser Hausverstand mahnt zu Vorsicht. Welche Maßnahmen und Handlungen in diesen Zeiten geboten sind hängt wie immer von den individuellen Umständen ab.

Von Steuerberater MMag. Ferdinand Rossbacher und Dr. Clemens Gregor