Die Schweiz gilt seit  Jahrzehnten als sicherer Hafen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Lenins Bankkonto, welches er während seines Aufenthaltes in der Schweiz bei der Zürcher Kantonalbank errichtete, sowohl den Ersten Weltkrieg, die Russische Revolution, den Zweiten Weltkrieg als auch die Sowjetunion allesamt überlebt hatte. Die Tatsache, dass die Öffentlichkeit heutzutage von diesem Konto Bescheid weiss, führt jedoch eine neue Thematik vor Augen.

In der Gegenwart gipfelten Konzepte wie Globalisierung, Share Holder Value und Digitalisierung in der Subprime Krise und in einer historisch einmalig hohen Verschuldung der meisten Staaten. In der Folge begann die Politik, der tiefen Regulierungsdichte und dem Machtverlust der Regierungen, welche der Freihandel, die Export- und Marktorientierung mit sich brachten, entgegenzuwirken, um zukünftige Krisen und zunehmende Ungleichheit zu verhindern. Entsprechend rückt eine verstärkte staatliche Kontrolle der Bevölkerung in den Vordergrund. Der automatische Informationsaustausch (AIA), die Aufgabe des Bankgeheimnisses sowie erhöhte Standards bei der Kundeninformation, sind die logischen Massnahmen  der von der Politik angestrebten Transparenz. Der weltweite AIA mag zwar in erster Linie auf die Verhinderung von Steuerhinterziehung abzielen, jedoch sind dessen Auswirkungen deutlich schwerwiegender für den Schweizer Finanzplatz. Der Status der obersten Sicherheit und das Schweizer Bankengeheimnis sind deshalb heute nur noch in James Bond Filmen Realität.

Automatischer Informationsaustausch (AIA)

Die Schweiz hat den automatischen Informationsaustausch (AIA) über Finanzkonten am 1. Januar 2017 übernommen. Seither wurden im September 2019 die ersten Informationen über Schweizer Bankkonten an ausländische Steuerbehörden ausgeliefert und das Abkommen wurde mit 97 Partnerstaaten aktiviert (Stand 1. Januar 2020). Der AIA-Standard ist als eine Folge der globalen Finanzkrise zu betrachten, welcher auf die Bekämpfung der Steuerhinterziehung und faire Wettbewerbsbedingungen abzielt. Generell gilt, dass sowohl natürliche als auch juristische Personen mit Wohnsitz in einem der 97 Partnerstaaten und einem Bankkonto in der Schweiz vom AIA betroffen sind. Dabei unterstehen die Finanzinstitute einer Meldepflicht bezüglich jedes Kontoinhabers und jeder beherrschenden Person (z.B. von Trusts und Stiftungen) mit Wohnsitz in einem der Partnerstaaten. Die Bank ist daher verpflichtet der Schweizer Steuerbehörde alle steuerbezogenen Informationen ihrer Kunden weiterzuleiten, welche wiederum die Daten automatisch an das entsprechende Steuerinstitut im Wohnsitzland weiterreicht. Die ausgetauschten Informationen beinhalten alle notwendigen Informationen, um die Steuerehrlichkeit und die Zuordnung von Vermögen sicher zu stellen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Einführung des automatischen Informationsaustausches und der gleichzeitige Verlust des Schweizer Bankgeheimnisses Mittel zum Zweck war, um dem Schweizer Finanzplatz unattraktiver zu gestalten. Die Schweiz hat mit der Übernahme ihren berüchtigten und beträchtlichen Wettbewerbsvorteil verloren. Während der Schweiz gedroht wurde, dass sie bei fehlender Kooperation auf die schwarze Liste der Gruppe der Zwanzig geraten würde, nimmt die USA weiterhin nicht am AIA-Standard teil. Die US-Konten von Ausländern bleiben den entsprechenden heimischen Steuerbehörden also weiterhin verborgen, während die Schweiz und alle wichtigen Industriestaaten mittels FATCA-Abkommen Bankdaten von US-Steuerpflichten an die USA weitergeben müssen.

Es ist aber wichtig zu erwähnen, dass das inländische Bankgeheimnis von dem AIA-Standard nicht betroffen ist. Das bedeutet, dass den Banken keine Meldepflicht von Bankkontoinhabern mit Wohnsitz in der Schweiz obliegt. Ob diese Kontoinhaber nun Schweizer Bürger sind oder nicht, ist irrelevant. Der Schweizer Wohnsitz bleibt also trotz allem beliebt, denn so werden keine Kontoinformationen an die Steuerbehörden weitergereicht. Das gleiche gilt für Staaten, welche das AIA-Abkommen nicht übernommen haben.

Als letztes Trostpflaster sind die strengen Massnahmen zur Einhaltung des Datenschutzes zu nennen. Zum jetzigen Zeitpunkt dürfen die automatisch ausgetauschten Daten ausschliesslich für Steuerzwecke verwendet werden. Jegliche weitere Verwendung oder vertiefte Nachforschungen müssen ergiebig begründet werden. Die Schweiz bietet also weiterhin einen hohen Privatsphärenschutz, solange das Vermögen steuerkonform ist.

Europa in der Krise

Trotz des AIA repräsentiert die Schweiz für viele weiterhin den sicheren Hafen in einem sonst so unruhigen Europa. Die Neutralität der Schweiz, stabile politische Verhältnisse, die hohe Wirtschaftskraft und nicht zuletzt der «Sichere Hafen « des Schweizer Franken sind wichtige Faktoren  bei Überlegungen zur Vermögensabsicherung. Die Unabhängigkeit gegenüber Europa und die niedrige Verschuldung geben der Schweiz jene Reserven, um ohne drastische Massnahmen,  welche in Europa inzwischen auf verschiedensten politischen Ebenen diskutiert werden, durch zukünftige ökonomisch schwierige Zeiten zu kommen.

Bei Überlegungen zu einer geographischen Diversifikation des Vermögens spielen aber viele andere Umstände eine wichtige Rolle. Rechtlich ist es heute allen europäischen Bürgern gestattet, ein Konto/Depot bei einer in der Schweiz ansässigen Bank zu unterhalten. Aber erfüllen die Schweizer Banken die Kriterien, die ein Ausländer an die Qualität und Sicherheit von Banken stellt?

Diese Frage kann sicher bejaht werden.

Einerseits geniessen Schweizer Banker nach wie vor den Ruf als weltweit führende Vermögensverwalter. Die Schweizer Banken gelten noch immer als Depotstellen mit höchster Vertraulichkeit und gehören zu den am stärksten kapitalisierten und sichersten Banken der Welt.

Hinzu kommt, dass der Schweizer Finanzplatz, durch die historisch etablierte weltweite Klientel, seine Dienstleistungen seit jeher international ausgerichtet hat. Dies betrifft sowohl die Veranlagung in den verschiedensten Währungen und internationalen Produkten, aber heute auch die Funktion als Depotstelle mit der Kompetenz, Steuerunterlagen für eine Vielzahl von Ländern zu erstellen. Diese Internationalität spiegelt sich auch in der Ausrichtung der FINAD, von unseren Mitarbeitern über unsere Dienstleistungen bis zu unseren Kunden, wider.

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil ist, dass anders als in Deutschland, Österreich oder anderen europäischen Ländern, keine Einsichtsrechte für Finanzämter auf Bankkonten und Vermögenswerte der Anleger bestehen. Dafür muss ein ausländischer Anleger allerdings eine Steuererklärung ausfüllen, während dies unter Umständen bei den «endbesteuerten Bankkonten « im Heimatland nicht nötig ist. Ein weiterer Nachteil ist die Stempelsteuer, die auf jede Transaktion eines Wertpapiers fällig wird, welche aber durch den Wegfall der im Domizilland anfallenden Mehrwertsteuer mehr als neutralisiert wird.

Fazit

Die kleine Schweiz mit ihrer Tradition als wichtiger Finanzplatz hat in den letzten Jahren enorme Anstrengungen unternommen, um den internationalen Anforderungen an Transparenz, Service und Gebühren gerecht zu werden. Gleichzeitig konnte sie den Vorsprung in der Internationalität ihrer Dienstleistungen aufrechterhalten.

Somit stellt die Schweiz für alle europäischen Anleger, speziell in diesen spannenden Zeiten, nach wie vor eine wichtige Option für die Absicherung von Vermögen durch geographische Verlagerung dar.

 

Von Dr. Clemens Gregor