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FINAD Market View
September 2022

7 mins read
September 5, 2022

Executive Summary

  • Obwohl der Höhepunkt der US-Inflation wahrscheinlich hinter uns liegt, wird die Fed nicht aufhören, die Geldpolitik zu straffen, bis die Inflation merklich sinkt. Powell hat das in seiner Rede am „Jackson Hole Economic“-Symposium klargestellt, wodurch die verfrühten Spekulationen über einen geldpolitischen Schwenk und somit auch die Bärenmarkt-Rallye beendet wurden.
  • Verglichen mit den USA ist die wirtschaftliche Situation in Europa und China schlecht. In Europa steigt das Risiko einer Rezession wegen der eskalierenden Energiepreise. China wird sein Wachstumsziel deutlich verfehlen, da Stimulusmassnahmen die Zero-COVID-Politik und den angeschlagenen Immobiliensektor nicht überwiegen.
  • Gemäss unseres Basisszenarios geht der Bärenmarkt weiter. Weil jedoch die Wahrscheinlichkeit für ein Soft Landing in den USA angestiegen ist und die Juni-Tiefststände anhalten könnten, haben wir unsere defensive Positionierung leicht angepasst.

Das Ende der Bärenmarkt-Rallye

Die starke Bärenmarkt-Rallye hat sich im August fortgesetzt und konnte im Höhepunkt sogar mehr als die Hälfte des gesamten Marktrückgangs wieder aufholen. Spekulationen über einen möglichen Schwenk in der Geldpolitik der Fed und makroökonomische Daten, die für ein Soft Landing sprechen, haben den Anstieg befeuert. An der kritischen 200-Tageslinie ist der S&P 500 aber abgeprallt und Powells hawkishe Rede in Jackson Hole hat letztlich die Rallye beendet.

Marktentwicklungen

Welt
  • Die US-Inflation dürfte endlich den Höhepunkt überschritten haben. Der Verbraucherpreisindex für Juli war mit 8,5 % im Jahresvergleich deutlich niedriger als mit 9,1 % im Juni. Der PCE-Deflator, die bevorzugte Kennzahl der Fed, spiegelt diese Entwicklung ebenfalls mit einem Rückgang auf 6,3 % von 6,8 % im Vormonat wider. Vor allem niedrigere Benzinpreise haben durchgeschlagen.
  • Ausgelöst durch hohe Kreditzinsen, sind die Verkäufe von neuen US-Wohnimmobilien auf das niedrigste Niveau seit Anfang 2016 gefallen. Steigende Bestände werden in den kommenden Monaten wahrscheinlich Druck auf die Immobilienpreise ausüben.
  • Trotz neuen Stimulusmassnahmen (niedrigere Loan Prime Rates und 1 Billion Yuan für zusätzliche Infrastrukturprojekte) wird China sein Wachstumsziel für 2022 von 5,5 % deutlich verfehlen, Ökonomen rechnen nur mit 3,5 %.
Europa
  • Nachdem die Energiepreise unvorstellbare Niveaus erreicht haben, bereitet die Europäische Union Notfallmassnahmen vor, um den Strompreis vom Gas zu entkoppeln.
  • Manche europäische Versorgungskonzerne, zum Beispiel Uniper in Deutschland oder Wien Energie in Österreich, benötigen Milliarden an staatlicher Unterstützung zur Aufrechterhaltung des Betriebs.
  • Der Euro handelt auf Parität zum US-Dollar, zuletzt war das 2003 der Fall.
Schweiz
  • Schweizer Unternehmen und Haushalte sind ebenfalls von der Energiekrise betroffen, aber zu einem geringeren Ausmass als in der Eurozone. Der starke Franken wirkt abfedernd.
  • Es wird erwartet, dass die SNB die Leitzinsen um weitere 0,50 % auf 0,25 % anhebt und eine Aufwertung des Franken wohlwollend akzeptiert.

Powell weist einen frühzeitigen Richtungsschwenk zurück

Powells Rede anlässlich des „Jackson Hole Economic“-Symposiums war sehr klar und prägnant, womit er die dovishe Interpretation der letzten FOMC-Pressekonferenz korrigiert hat. Die US-Notenbank ist entschlossen, die Inflation zurück auf 2 % zu bringen und „muss so lange dranbleiben, bis der Job erledigt ist“. Zu früh umzuschwenken, ist ein Risiko, das die Notenbanker nicht eingehen möchten, da sich sonst die Inflation in Lohn- und Preisentscheidungen festsetzen könnte und dann nur schwer reversibel wäre. Eine Erfahrung, die man in den 1970er- und 80er-Jahren gemacht hat. Obwohl Powell nichts gesagt hat, was von den FOMC-Mitgliedern in den Tagen zuvor nicht schon gesagt wurde, hat diesmal der Markt zugehört und Zinssenkungserwartungen für 2023 ausgepreist. Der Zeitpunkt wird kommen, an dem die Fed schliesslich umschwenken wird, nämlich wenn die Inflation überzeugend nachlässt und/oder sich die Wirtschaft signifikant abschwächt, aber es wäre verfrüht, diesen Schluss schon jetzt zu ziehen.

Unser Basisszenario ist, dass wir weiterhin in einem Bärenmarkt sind. Wie in der letzten Market View erklärt, wäre es ungewöhnlich, wenn wir schon den Boden im Juni gesehen hätten. Wir haben zwei Bedingungen für einen Boden definiert, beide davon sind nicht erfüllt. Erstens: ein nachhaltiger Schwenk der Geldpolitik. Powells Rede in Jackson Hole hat klargestellt, dass wir noch nicht so weit sind. Zweitens: eine Neubewertung der Wachstumserwartungen, genau genommen eine signifikante Herabsetzung der Gewinnerwartungen im Lichte einer sich eindeutig abschwächenden und vielleicht sogar in eine „echte“ Rezession eintretenden Wirtschaft. Bisher ist das nicht passiert. Zum Beispiel wurde für den S&P 500 das erwartete Gewinnwachstum für die nächsten 12 Monate nur leicht um 2 % nach unten angepasst.

Nichtsdestoweniger geben wir zu, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Soft Landing zugenommen hat. Die US-Inflation hat den Höhepunkt hinter sich und könnte möglicherweise ohne starke wirtschaftliche Verschlechterung schnell fallen. Etwas kontraintuitiv haben makroökonomische Daten im Juli auf niedrigere Inflation und besser als erwartetes Wirtschaftswachstum hingedeutet. Einige technische Indikatoren, zum Beispiel das Ausmass der Rallye oder die breite Partizipation an der Rallye, sprechen historisch dafür, dass wir den Boden eventuell schon gesehen haben.

Positionierung

Das makroökonomische Umfeld ist weiterhin herausfordernd für Risikoanlagen. Kapitalerhalt ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung und Risikomanagement hat oberste Priorität. Aus diesem Grund sind wir untergewichtet in Aktien und Unternehmensanleihen und übergewichtet in Barmitteln, Gold und alternativen Anlagen.

Wenngleich es nicht unserem Basisszenario entspricht, so haben neue Daten die Wahrscheinlichkeit für ein Soft Landing erhöht. Um diesem Umstand in unseren Portfolien Rechnung zu tragen, haben wir unsere Untergewichtung in Aktien leicht reduziert.

Zusätzlich haben wir unserem Aufstockungsplan ein neues Limit hinzugefügt. Wir erhöhen schrittweise unsere Aktiengewichtung auf vorher festgelegte Niveaus, auf denen der Gesamtmarkt attraktiv bewertet wird. Unser erstes Limit wurde mit dem Tief im Juni erreicht. Das neue Limit ist etwas darüber, falls das Tief hält. Die nächsten Limits für den S&P 500 liegen im Bereich von 3550–3350. Bei Ausführung aller drei Limits steigt unsere Aktiengewichtung auf neutral.

Innerhalb der Aktien bevorzugen wir Quality-Growth-Titel, weil wir davon ausgesehen, dass diese relativ outperformen sollten, wenn der Bärenmarkt anhält, aber auch wenn das Soft-Landing-Narrativ anhält.

Chart

Wegen der Energiekrise, Fragmentierungsrisiken und einer aufgehenden Zinsdifferenz hat der Euro massiv gegenüber dem US-Dollar abgewertet und handelt inzwischen auf Parität, was zuletzt 2003 der Fall war. Der übergreifende Abwärtstrend, der mit der Finanzkrise 2008 eingesetzt hat, unterstreicht die strukturellen Probleme der Währung und deutet auf weitere Schwäche hin.

Euro auf 19-jährigem Tief zum US-Dollar
Quellen: Bloomberg, Financial Times

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