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FINAD Market View
Mai 2024

7 mins read
Mai 8, 2024

Zusammenfassung

  • Globale Aktien beendeten im April ihre seit fünf Monaten anhaltende Rally. Der MSCI World Index fiel im vergangenen Monat um 3,7% (Gesamtrendite in USD). Dieser Rückgang war vor allem auf die Erwartung anhaltend hoher Zinssätze angesichts der hartnäckigen Inflation im ersten Quartal, insbesondere in den USA, zurückzuführen.
  • Sowohl Japan als auch China standen aufgrund der möglichen Interventionen an ihren Devisenmärkten im Rampenlicht. Im Umfeld eines volatilen Yen beendete der Nikkei-Index den Monat mit einem Minus von beinahe 5%. Der chinesische Hang Seng-Index stieg hingegen um über 7% und hob den MSCI Emerging Markets Index im Monatsverlauf ins Plus (+0,4% in USD).
  • In den USA waren die politischen Akteure weiterhin damit beschäftigt, Wirtschaft und Märkte zu stützen und gleichzeitig das Inflationsproblem zu lösen.
  • Die Refinanzierungsaussichten des US-Finanzministeriums entsprachen zwar nicht ganz den Hoffnungen der Marktteilnehmenden, verringerten jedoch die Ungewissheit bezüglich der Aussichten für US-Anleihenemissionen.
  • Der Präsident der US-Notenbank, Jerome Powell, bekräftigte dagegen seine taubenhafte Haltung. Er deutete an, die Fed sei bei Anzeichen für eine abkühlende Konjunktur zu einer geldpolitischen Lockerung bereit und würde bei einer Beschleunigung des Wachstums oder der Inflation möglichst lange von einer Straffung absehen.
  • Im ersten Quartal blieb das US-Wirtschaftswachstum zwar insgesamt robust, verlangsamte sich jedoch deutlich im Vergleich zu den Konsensuserwartungen. Dies löste erneut Sorgen um eine mögliche Stagflation aus.

US-Anleihen weiterhin unter Druck, Erholung am chinesischen Aktienmarkt

  • Laut FactSet beträgt die durchschnittliche Gewinnwachstumsrate der S&P 500 Unternehmen für das Q1 fünf Prozent (im Jahresvergleich). Von den 80 % die bereits berichtet haben, übertrafen 77 % die Erwartungen.
  • Der US-Anleihemarkt verzeichnet eine 45-monatige Baisse und damit seine bisher längste Flaute. Abgesehen von einer vier- bis fünfmonatigen Erholung Ende letzten Jahres erleben die Renditen einen stetigen Anstieg. Der vorangegangene Bullenmarkt bei Anleihen hatte 40 Jahre gedauert: von Anfang der 1980er bis 2020/21. Nun hat möglicherweise ein neues Marktregime begonnen, das sich durch schwankende, tendenziell steigende Renditen mit vorübergehenden Haussephasen auszeichnet.
  • Nach Angaben von JPMorgan Chase haben Vermögensverwalter seit zwölf Jahren nicht mehr so hohe Long-Positionen in US-Aktienfutures gehalten.
  • In China verzeichnet der Aktienmarkt nach drei Jahren Rückgang in Folge wieder einen Aufschwung. Im vergangenen Monat haben chinesische Aktien weltweit wieder die Führung übernommen. Damit zählt der chinesische Aktienmarkt aktuell zu jenen mit der besten Performance über die letzten drei Monate (gem. Bloomberg Intelligence).

Marktentwicklung

Welt
  • Nach dem Bloomberg-Konsens wird für die USA im Jahr 2024 ein solides nominelles BIP-Wachstum (einschließlich Inflation) von über 5% prognostiziert. Angesichts dieser Prognosen könnten die bisherigen Rekordzeiträume von 1996–1998 und 2004–2006, in denen die USA ein BIP-Wachstum von über 5% verzeichneten, übertroffen werden.
  • Andererseits ist laut Bank of America (BofA) die Anzahl der Nachrichten über Stagflation in diesem Jahr auf den höchsten Stand seit 2022 angestiegen.
    • Angesichts der jüngsten Daten, die auf eine Verlangsamung des Wachstums und eine hartnäckige Inflation hindeuten, überrascht diese Tatsache nicht. Gegenüber der «Goldlöckchen-Phase» Ende 2023 hat sich die Datenlage jedenfalls verschlechtert.
    • Im April rutschten die beiden ISM-Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende und das nicht verarbeitende Gewerbe unerwartet unter die Wachstumsschwelle.
    • Das US-Verbrauchervertrauen ging im April merklich zurück.
    • Im ersten Quartal stieg der US-Arbeitskostenindex stärker als erwartet.
    • Fed-Chef Jerome Powell widersprach dieser Einschätzung jedoch in seiner Pressekonferenz im Mai: «Ich sehe weder eine Stagnation noch eine Inflation … Ich kann nicht nachvollziehen, warum angesichts der vorliegenden US-Daten über ein Stagflationsszenario diskutiert wird.»
Europa
  • Europa steht vor dem vierten Quartal in Folge mit rückläufigen Gewinnen, doch deuten manche Anzeichen auf eine Verbesserung der Lage und ein mögliches Ende der Gewinnrezession hin. Die Gewinnspannen der Unternehmen in Europa waren zwar nicht so robust wie jene in den USA, übertrafen aber die Erwartungen. Mit Blick auf den Anstieg des Citigroup Economic Surprise Index in den letzten drei Monaten rechnet die BofA mit höheren Unternehmensgewinnen in den kommenden Quartalen.
  • Unseres Erachtens könnte die EZB ihren Leitzins im Juni erstmals senken.
Schweiz
  • Das KOF Konjunkturbarometer kletterte im April nach einem zweimonatigen Rückgang auf 101,8 Zähler. Seit Anfang 2024 liegt es über seinem langfristigen Durchschnitt von 100 Punkten. Andere vorlaufende Konjunkturindikatoren deuten jedoch auf ein Wachstum unterhalb des Potenzials hin, insbesondere die bisher schleppende Erholung der Industrie.

 

Powell bekräftigt den «Fed-Put», während Yellen entscheidet, dass die Goldlöckchen-Phase vorbei ist

US-Notenbankpräsident Jerome Powell schlug auf der Pressekonferenz im Mai einen besänftigenden Ton an, der viele überraschte. Powell versuchte, Zinserhöhungen im Jahr 2024 aus der Liste der möglichen Fed-Massnahmen zu streichen. Zudem schloss er Zinssenkungen nicht aus, sollte sich die Konjunktur unerwartet abkühlen.

  • Powell spielte das jüngste Wiederaufflammen der Inflation herunter und hielt es für unwahrscheinlich, dass die Fed weiter an der Zinsschraube dreht.
  • Weiter kündigte er eine deutliche Änderung des quantitativen Tapering (QT) an. Die Fed-Bilanz wird damit langsamer abgebaut. Ab Juni lässt die Fed nur noch Staatsanleihen im Wert von USD 25 Milliarden anstatt von USD 60 Milliarden auslaufen. Dieser Entscheid übertrifft die Konsensschätzung und stellt einen mässigen, aber überraschend proaktiven Lockerungsschritt dar.
  • Ferner betonte Powell die «Heilung der Angebotsseite» und unterstrich die positiven Auswirkungen des jüngsten Produktivitätsanstiegs und die Verlangsamung der Lohnstückkosteninflation.
  • Trotz der erfreulichen Beschäftigungszahlen ausserhalb der Landwirtschaft im ersten Quartal und einer Kerninflation von über 3% erwähnte Powell auch die Fragilität des Arbeitsmarktes und aus seiner Sicht erwartete Disinflation.

Diese Wende hin zu einer taubenhafteren Geldpolitik hat zwischen der Fed und dem US-Finanzministerium eine Dynamik geschaffen, die an die Taktik «guter Bulle/böser Bulle» erinnert. So veröffentlichte Finanzministerin Janet Yellen am Tag der Pressekonferenz von Jerome Powell ein überraschend falkenhaftes Quarterly Refunding Announcement (QRA).

  • Die Pläne für die Finanzierung über US-Staatsanleihen deuten nun auf höhere langfristige Renditen hin. Dem QRA für das zweite Quartal ist zu entnehmen, dass die Gesamtemission von Kupons im zweiten und dritten Quartal (USD 1,1 Billionen) den höchsten Stand seit 2022 erreichen wird.
  • Das Auktionsvolumen bei 10-jährigen Staatspapiere bleibt konstant, liegt aber auf einem Rekordhoch.
  • Des Weiteren prognostizierte Janet Yellen einen höheren Treasury General Account (TGA). Damit geht sie Behauptungen über eine politisch bedingte Verzerrung aus dem Weg, die aufgestellt werden könnten, sollte der TGA kurz vor den US-Wahlen geleert werden. Möglicherweise spiegelt dieser Schritt aber auch die wachsende Sorge über ein übermässiges US-Defizit bei einer hartnäckigen Inflation wider.

Die hohen Emissionen am langen Ende stellen eine Herausforderung dar, da der Privatsektor – z.B. grosse Banken, die bei Treasury-Auktionen als Primärhändler fungieren – ein höheres Risikobudget in die Bilanz aufnehmen muss. Das schränkt möglicherweise die Fähigkeit des Privatsektors ein, Ressourcen für die Kredit- oder Aktienmärkte bereitzustellen.

Letztlich dürfte der Privatsektor mehr durationsgewichtete Staatsanleihen aufnehmen müssen und damit die lockeren Liquiditätsbedingungen des ersten Quartals straffen. Obwohl dieser Prozess schrittweise erfolgen dürfte, müssen die Märkte eine Anpassung vornehmen. Wahrscheinlich ist mit anhaltender Zinsvolatilität und einer steileren US-Zinskurve zu rechnen. Die Goldlöckchen-Phase ist eindeutig zu Ende.

Robert Steven Kaplan, ehemaliger Präsident der Federal Reserve Bank of Dallas, sprach von der Notwendigkeit, «die Umsetzung des Inflation Reduction Act zu verlangsamen, um die Inflation zu verlangsamen» – eine paradoxe Forderung, sollte doch genau dieses Gesetz die Inflation bekämpfen.

Die Fed-Ankündigung und das QRA für das zweite Quartal liegen nun hinter uns. Da sich die Waage aus politischer Sicht nicht eindeutig zugunsten der taubenhaften Fed oder des falkenhaften Finanzministeriums neigt, brauchen die Aktienmärkte jetzt unseres Erachtens vor allem die Rückkehr der Disinflation.

In diesem Zusammenhang verweisen wir auf die jüngsten Kommentare von Morgan Stanley. So sollen die Inflationszahlen schon bei der nächsten Veröffentlichung des US-Verbraucherpreisindex einen unerwarteten Rückgang verzeichnen, da spezielle Indikatoren auf eine rasche Verlangsamung des Wachstums auf dem Mietmarkt hindeuten. Zudem ist erwähnenswert, dass die Teuerung im Finanzdienstleistungssektor oft mit der Entwicklung an den Aktienmärkten korreliert. Die jüngste Aktienmarktkorrektur könnte diesen schwankenden Aspekt der Inflationskennzahlen verringern. Auch die anhaltende Deflation in China dürfte insgesamt einen Abwärtsdruck auf die Preise für US-Güter ausüben.

Positionierung

Die Märkte erwarten die erste Zinssenkung der Fed erst im November. Es ist jedoch fraglich, ob die Fed in der Woche der US-Wahlen einen neuen Zinssenkungszyklus startet. Unseres Erachtens dürfte die US-Notenbank mit gebührlichem Abstand entweder bis Juli (und nur, falls es in absehbarer Zeit zu einer deutlichen Inflationsabschwächung und/oder einer Konjunkturabkühlung kommen sollte) oder nach dem Wahlmonat November handeln.

Die von der Fed unterstrichene Datenabhängigkeit könnte zu Herausforderungen führen, insbesondere wenn sich die Zahlen auf der Angebotsseite ungünstig entwickeln. Für Jerome Powell könnte es schwieriger werden, die hartnäckige Inflation mit einem Verweis auf die Produktivität als neutralisierenden Faktor abzutun. Es besteht die Sorge, dass eine Rückkehr zu einer restriktiveren Politik zum falschen Zeitpunkt erfolgen könnte. Im Moment scheint der Fed-Chef allerdings entschlossen zu sein, jegliche Möglichkeit künftiger Zinserhöhungen auszuschliessen.

Wir gehen davon aus, dass die kurzfristige Aktienvolatilität erhöht bleibt, bis die Inflationsdynamik wieder abnimmt und die Zinsvolatilität sinkt. Wir halten an unserer Ansicht fest, dass sich das Inflationstempo im zweiten Quartal spürbar verringern könnte.

Kurz gesagt: Das makroökonomische Umfeld sieht seit März aufgrund der steigenden Inflation und des Aufwärtsdrucks auf die Zinssätze etwas ungünstiger aus, doch Aktien können unseres Erachtens mittelfristig weiter gut performen. Den Barclays-Strategen zufolge konnten die soliden Gewinne den Abwärtstrend der Aktien in den letzten Wochen wohl ebenfalls auffangen.

Wir rechnen damit, dass die im April begonnene Aktienkorrektur im Mai endet, wobei in der Vergangenheit in Wahljahren im Juni, Juli und August meistens eine erfreuliche Performance verzeichnet wurde.

  • Wir erwarten, dass sich die Anleger stärker auf die bevorstehenden US-Wahlen konzentrieren, insbesondere im Hinblick auf Steuern, Zölle und Verschuldung.
  • Bei den Rohstoffen bleiben wir Gold gegenüber mittelfristig optimistisch eingestellt. Das Edelmetall konnte sich vor dem Hintergrund der eskalierenden geopolitischen Spannungen und der steigenden Zentralbankkäufe erholen. Aus taktischer Sicht gehen wir davon aus, dass sich der Goldpreis bis Mitte des Jahres zwischen USD 2’200 und USD 2’400/Unze einpendelt.
  • Die geopolitischen Risiken waren schon seit Jahrzehnten nicht mehr so gewaltig. Angesichts der sich verschärfenden Spannungen im Nahen Osten warnt Bloomberg Intelligence vor einer möglichen weltweiten Krise, einem Anstieg der Ölpreise auf USD 150/Barrel und Auswirkungen auf das globale BIP von USD 1 Billion.

Chart

Die jüngste Divergenz zwischen den beiden Linien darf nicht ignoriert werden. Die US- Wirtschaftsdaten schwächen sich ab, währen der Inflationsdruck zu nimmt. Ein Umfeld , das man als stagflationär bezeichnen könnte. Diese Lage ist jedoch noch nicht einzementiert und könnte sich mit den Daten für das zweite Quartal ändern.

Angst vor der Stagflation in den USA
Quellen: Bloomberg, Morgan Stanley, Bank of America, Goldman Sachs, The Macro Compass, The Market Ear, Steno Research, 42Macro, JPM, Hightower Naples, ZKB, Strategas, RBC Capital, FT, Yardeni Research

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