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FINAD Market View
April 2024

7 mins read
April 8, 2024

Zusammenfassung

  • Der S&P 500 verzeichnete den stärksten Anstieg in einem ersten Quartal seit fünf Jahren. Trotz der sich in letzter Zeit verlangsamenden Dynamik aufgrund der gestiegenen US-Staatsanleihenrenditen, erwarten wir bis Mitte des Jahres ein allgemein günstiges Marktumfeld für Aktien.
  • Der Vorsitzende der US-Notenbank (Fed), Jerome Powell, wollte in erster Linie Vertrauen in die widerstandsfähige Wirtschaft signalisieren und darauf hinweisen, dass Geduld vonnöten sei, um das Inflationsziel der Fed zu erreichen. Da die Marktteilnehmer jedoch zunehmend mit einer möglicherweise hartnäckigeren Inflation im Laufe des Jahres rechnen, könnte die Fähigkeit der Fed, die Zinsen proaktiv zu senken, begrenzt sein.
  • Trotz dieser Risiken haben Anzeichen für eine weltweite Konjunkturerholung und die Hoffnung auf einen nachhaltigen Produktivitätsanstieg die Stimmung an den Märkten aufgehellt, und die Sorgen über eine weniger expansive Geldpolitik der Fed gemildert.
  • Angesichts der im Vergleich zu den USA schwächeren Inflation in Europa, dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni der Zinssenkung folgen, die die Schweizerische Nationalbank (SNB) überraschend im März vornahm.
  • Die Nachhaltigkeit des fiskalpolitischen Kurses der USA wird angesichts der Zinslast – doppelt so hoch wie vor der Pandemie – zunehmend geprüft. Dadurch gerät die Fed unter Druck, trotz der möglicherweise wieder anziehenden Inflation und des robusten Wirtschaftswachstums den steigenden Zinskosten Rechnung zu tragen.
  • Das mangelnde Vertrauen in die internationale Fiskalpolitik könnte den Anstieg des Goldpreises auf neue Allzeithochs mitbewirkt haben.

Achterbahnfahrt an der Wall Street: von der Risikobereitschaft bis zur Regulierungswut

  • Trotz der massiven sechsmonatigen Rallye weist eine Analyse von Citi auf eine anhaltende Risikobereitschaft an den Aktienmärkten hin.
  • Gemäss einer Einschätzung der Bank of America (BofA) bleibt die Gesamtpositionierung am Markt innerhalb der historischen Normen.
    • Gemäss Savita Subramanian, Leiterin der Abteilung US Equity and Quantitative Strategy der BofA, war die Stimmungsaufhellung am Aktienmarkt im März deutlich von Euphorie entfernt.
    • Der Sell Side Indicator der BofA – der die durchschnittliche von den Sell-Side-Strategen der Wall Street empfohlene Aktienallokation in gemischten Fonds abbildet – ist auf 55% gestiegen (Höchststand seit Mai 2022). Bei Indikatorwerten auf oder unter diesem Niveau waren die Renditen in den nächsten zwölf Monaten in 94% der Fälle positiv. Der aktuelle Stand deutet auf mögliche Gewinne von mindestens 13% im kommenden Jahr hin.
  • Obwohl die «Magnificent 7» im letzten Jahr 60% der Gewinne des S&P 500 ausmachten, wird die wettbewerbsrechtliche Regulierung eine wachsende Herausforderung für die Tech-Giganten. In den USA sind Kartellverfahren gegen Apple und Amazon angestrengt worden, und die Federal Trade Commission untersucht die KI-Geschäfte von Amazon, Google und Microsoft. In Europa droht Apple eine Busse in Höhe von USD 2 Mrd. wegen Verstosses gegen die Kartellgesetze.

Marktentwicklung

Welt
  • Wir tendieren nun zu einem No-Landing-Szenario, das für Risikoanlagen positiv ist, solange die Fed ihre Politik nicht wieder strafft. Das Risiko, dass die Fed vor der zweiten Jahreshälfte zu einer Straffung der Geldpolitik übergeht, ist unserer Ansicht nach gering. Unsere Arbeitsthese ist (und war), dass die Disinflation – wenn auch holprig – bis zur Jahresmitte anhalten wird. In der Hoffnung auf Zinssenkungen in der Zyklusmitte, kombiniert mit einem potenziellen synchronen Wachstum und Produktivitätsaufschwung, erwarten wir nach wie vor eine gute Ausgangsbasis für Aktien.
  • Die Inflationsdaten sind nach wie vor entscheidend für eine Änderung oder Verstärkung des positiven Marktklimas.
  • Abschliessend möchten wir den Ende März verstorbenen Pionier der Wirtschaftswissenschaften Daniel Kahneman würdigen. Seine Beiträge zur Verhaltensökonomie waren bahnbrechend, und sein berühmtes Buch Schnelles Denken, langsames Denken wird auch in den kommenden Jahren noch wichtige Erkenntnisse liefern.
Europa
  • Die jährliche Inflation in der Eurozone verlangsamte sich von 2,6% im Februar auf 2,4% im März und damit stärker als erwartet (2,5%). Dies untermauerte die Aussicht auf eine Zinssenkung durch die EZB im Juni.
  • Copernicus Wealth Management hat die Faktoren identifiziert, die eine Aufholjagd der europäischen Aktien trotz verbleibender struktureller Probleme und geopolitischer Risiken ermöglichen könnten. Dazu dürften eine Belebung des Binnenwachstums, ein nachlassender Lagerabbau, steigende Realeinkommen der Verbraucher, ein Konjunkturaufschwung in China, der im Vergleich zur Fed grössere Zinssenkungsspielraum der EZB und günstigere Bewertungen in Europa gehören.
Schweiz
  • Der Schweizer Franken ist in diesem Jahr hinter anderen Hauptwährungen zurückgeblieben und könnte weiter fallen, nachdem die SNB entgegen dem Marktkonsens im letzten Monat die Zinsen gesenkt und gleichzeitig weniger an den Devisenmärkten interveniert hat. Wir haben diese Möglichkeit in der Market View vom März hervorgehoben.

 

Die Fed rückt gegenüber Yellen und der Fiskalpolitik in den Hintergrund

Im vergangenen Jahr erlebten die USA etwas, was manche als «fiscal melt-up» (etwa: «fiskalpolitischer Höhenrausch») bezeichneten. Unter der US-Finanzministerin Janet Yellen hat das US-Finanzministerium zwischen dem ersten Quartal 2023 und dem zweiten Quartal 2024 Kredite in Höhe von USD 3 Bio. aufgenommen, was der Rekordkreditaufnahme von USD 3,6 Bio. während der Covid-Krise nahekommt.

Angesichts der Zunahme der Staatsverschuldung um etwa USD 1 Bio. alle 100 Tage (BofA) erscheint der Kurs der Fiskalpolitik beängstigend. Angesichts der bevorstehenden US-Wahl im November ist es wohl angemessen, eine weitere fiskalpolitische Unterstützung in diesem Jahr zu erwarten.

Der Anstieg der Kreditaufnahme findet immer mehr Beachtung, da die Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit solcher fiskalpolitischen Massnahmen zunehmen.

  • Bloomberg Economics hat eine Million Prognosesimulationen für den fiskalpolitischen Kurs der USA durchgeführt, von denen 88% die Entwicklung als nicht nachhaltig einstuften.
  • Auch der CEO von Citadel, Ken Griffin, äusserte sich dazu: In einem Brief an die Anlegerinnen und Anleger bezeichnete er vor Kurzem das Haushaltsdefizit der USA in Höhe von 6,4% des Bruttoinlandsprodukts in einem rezessionsfreien Umfeld als unverantwortlich und nicht nachhaltig.

Yellens Verlagerung auf kurzfristige Schulden, insbesondere Schatzwechsel, könnte diese Bedenken noch verstärken. Die Emission von Schatzwechseln – inzwischen über 85% aller Emissionen des US-Schatzamtes – hat in den letzten zwölf Monaten mit USD 21 Bio. den höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten erreicht. Dieser Anstieg der kurzfristigen Kreditaufnahme – der zwar kurzfristig die Liquidität stimuliert – hat zu einem Anstieg der Zinslast in den USA geführt und wird dies auch weiterhin tun, was eine Herausforderung für die Geldpolitik darstellt.

Die Fed, die das kurze Ende der Zinskurve kontrolliert, hat die Zinssätze für längere Zeit auf erhöhtem Niveau gehalten und damit zu den steigenden Zinsverpflichtungen beigetragen. Die Zinszahlungen für US-Staatsschulden sind in den letzten zwölf Monaten auf USD 1,1 Bio. angestiegen (doppelt so hoch wie die jährlichen Zinszahlungen vor der Pandemie).

Wenn die Fed die aktuellen Zinssätze beibehält, dürften die Zinslast nach Einschätzung der BofA in zwölf Monaten USD 1,65 Bio. erreichen. Sollte Powell jedoch die Zinsen senken, stiege die Zinslast nur auf USD 1,2 Bio., was eine erhebliche Cashflow-Differenz von USD 450 Mrd. bedeuten würde. Die finanzielle Belastung könnte dieses Jahr durchaus die Entscheidungsfindung der Fed beeinflussen, falls sie eine Entlastung des Staatshaushalts anstrebt.

Die BofA geht auch auf die Regulierung im Tech-Sektor ein. Die Umsätze der Magnificent 7 von USD 1,8 Bio. im vergangenen Jahr stellen ein verlockendes Ziel für Regulierungsbehörden und Regierungen dar, die mit fiskalischen Herausforderungen zu kämpfen haben. Regulatorischer Druck und steigende Steuersätze haben in der Vergangenheit das Ende eines aussergewöhnlichen Sektorwachstums eingeläutet. Unserer Ansicht nach muss dieses Thema im Auge behalten werden.

 

  • In den letzten zwölf Monaten war der Technologiesektor der am wenigsten regulierte Sektor und der Steuersatz der Magnificent 7 betrug im Durchschnitt 15%, gegenüber 21% für den Rest des S&P 500.
  • Während die Anleger die Tech-Giganten wegen ihrer «Burggräben» und anderer wettbewerblicher (und monopolistischer) Vorteile bevorzugen – die tendenziell Margen, Marktanteile und Preissetzungsmacht schützen –, fragen wir uns, inwieweit diese Eigenschaften in Gefahr sind.

Positionierung

Trotz einer kräftigen Rallye, teilweise extremer Risikobereitschaft und einer zu optimistischen Stimmung glauben wir, dass die im November 2023 begonnene Hausse nicht in absehbarer Zeit zu Ende gehen wird.

Wir sind bestrebt und sehen potenzielle Rückschläge von 5-10% (oder Seitwärtskorrekturen) als Kaufgelegenheiten, und wir erwarten, dass die zurzeit hohe Risikobereitschaft bis zur Jahresmitte anhalten wird. Zudem erwarten wir eine breitere Marktführerschaft, die über US-Large-Cap-Aktien hinausgeht.

  • Laut BofA haben im März 60% der Aktien den breiteren Marktindex übertroffen, deutlich mehr als im Februar (40%).
  • Besonders erwähnenswert ist, dass der Öl- und Gassektor nach dem Halbleitersektor nun derjenige mit der zweitbesten Performance im S&P 500 seit Jahresbeginn ist.

Der Momentum-Faktor in den USA hat seit Ende Dezember 2023 eine fast doppelt so hohe risikobereinigte Rendite erzielt wie der S&P 500. Während unser Anlageansatz eindeutig davon profitiert hat, könnte der Momentum-Faktor nun tatsächlich seinen Höhepunkt überschritten haben.

Obwohl die Konsenserwartung für den US-Dollar in diesem Jahr anfänglich auf eine Dollarschwäche hindeutete, hat er Stärke gezeigt. Eine Bloomberg-Analyse sowie BIS-Daten zeigen, dass der US-Dollar in der Regel um mehr als 3% pro Quartal zulegt, wenn die Mehrheit der Zentralbanken die Geldpolitik gleichzeitig lockert.

Gold, eine unserer Kernpositionen, ist auf über USD 2’300 pro Unze gestiegen, was auf die Erwartung von Zinssenkungen seitens der Fed und die anhaltende Nachfrage der Zentralbanken, insbesondere der chinesischen, zurückzuführen ist. Der trotz der hohen Realzinsen in den USA verzeichnete Goldpreisanstieg deutet darauf hin, dass angesichts der steigenden Ausgaben, der steigenden Zinskosten und der geopolitischen Spannungen globale fiskalische Schwachstellen erkannt werden könnten.

Unserer Ansicht nach könnte ein steigender Goldpreis die Besorgnis des Marktes, über die Unfähigkeit des US-Finanzministerium die Ausgaben mittel- bis langfristig zu senken, widerspiegeln. Eine mögliche Änderung der US-Geldpolitik könnte dabei letztlich bis hin zur Zinskurvenkontrolle durch die Fed reichen.

Chart

Die BofA geht davon aus, dass bei einem unveränderten Verschuldungstrend in den nächsten zwölf Monaten und einem US-Refinanzierungssatz von etwa 4,4% die jährlichen Zinskosten von USD 1,1 Bio. auf USD 1,65 Bio. steigen. Würde die Fed hingegen in den nächsten zwölf Monaten die Zinsen um 150 Basispunkte senken, sänke der durchschnittliche Refinanzierungssatz auf etwa 3,2%. Die Zinszahlungen in den nächsten zwei Jahren würden dann in einer Spanne von USD 1,2 Bio. bis USD 1,3 Bio. verharren.

Wird die Zinssenkung der Fed die US-Zinslast verringern?
Quellen: Bloomberg, Morgan Stanley, Bank of America, Goldman Sachs, The Macro Compass, The Market Ear, Steno Research, 42Macro, JPM, Hightower Naples, ZKB, Strategas, RBC Capital, FT, HCP, Yardeni Research, Copernicus Wealth Management