Welcher ist der richtige Zeitpunkt, den Nachlass zu regeln, und worauf ist zu achten?

Wer jung ist, denkt nicht an die Nachfolge. Wer sich jung fühlt ebenso wenig. Wer die erste Einladung zu einem Pro Senectute Anlass bekommt, sollte sich sputen, die Planung des Nachlasses an die Hand zu nehmen. Egal wie gross das eigene Vermögen aktuell – schon oder noch – ist, selbsterwirtschaftet, geschenkt oder geerbt: Mann oder Frau ist gut beraten – allein oder gemeinsam – festzulegen, was dereinst sein soll, wenn selbst nicht (mehr) gehandelt werden kann. Sei es aus gesundheitlichen Gründen zu Lebzeiten. Oder sei es, weil das letzte End schon läutet, ehe die Silberhochzeit gefeiert ist. Das Thema ist allgegenwärtig.

Wer Gehör will, sollte nicht schweigen

Überraschend viele Leute haben keinen Plan wie sie vorsorgen wollen oder ob und wie Nahestehende den Nachlass gestalten. Das Thema anzugehen – für sich selbst, die Kinder oder (Schwieger-)Eltern – ist für erstaunlich viele mit zähem inneren Widerstand gekoppelt. Ausreden gibt es zuhauf: zu früh, zu wenig, zu kompliziert, zu forsch, … Die fatale Folge: es wird geschwiegen, bis zum Tod.

Ist Schweigen ratsam? Nein. Viele haben zwar eine leise Ahnung, dass es gesetzliche Regeln gibt. Sie vertrauen darauf. Das Gesetz sieht insgesamt auch ausgeglichene Lösungen mit Schranken (Pflichtteilsschutz) vor. Aber eben: Ohne eigene Regelung wird der Nachlass des zwanzigjährigen Junggesellen über den gleichen Kamm geschert wie derjenige der vierfachen Mutter, der erfolgreichen Unternehmerin oder des 90-jährigen Demenzerkrankten. Im Einzelfall kann dies zu stossenden Ergebnissen führen, Langzeit-Beziehungsschäden können typische Nebenwirkungen sein. Anspruchsvoll wird es, wenn eine Liegenschaft im Spiel ist, die aus unterschiedlichen Ehe-Töpfen (es gibt bis deren vier) finanziert wurde und erheblich an Wert zulegte. Auch harmonisch (zusammen-) gewachsene Patch-Work-Familien werden spätestens mit dem Tod jäh daran erinnert, dass sie nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt sind.

Dissonanzen vorbeugen

Wer kann, sollte so früh so klare Verhältnisse wie möglich schaffen. Individuellen Gestaltungsspielraum gibt es etlichen, jedenfalls mehr als gemeinhin bekannt ist. Mit den Instrumenten Vorsorgeauftrag, Schenkung und Darlehen (mit Wirkung bereits zu Lebzeiten) sowie Testament, Ehe- und Erbvertrag (für den Todesfall) lassen sich viele Misstöne vermeiden. Allein, gleich einem Dirigenten sollten diese Werkzeuge sauber auf die persönliche Umgebung abgestimmt werden, damit sie im richtigen Zeitpunkt harmonieren. Eltern, Partner und Kinder können einbezogen werden, müssen aber nicht. Die Befürchtung, sich zu früh für etwas festzulegen, ist unbegründet. Vieles lässt sich jederzeit ohne grossen Aufwand ändern, häufig ohne Mitwirkung anderer. Der Vorsorgeauftrag – diese regelt, wer wie handeln soll, wenn ich noch lebe, aber selbst nicht (mehr) handeln kann – wie auch das Testament – handschriftlich oder notariell beurkundet – sind nie in Stein gemeisselt.

Wer sich heute in Sicherheit wähnt und nichts regeln will, weil das Verhältnis mit den (Stief-)Eltern und den (Halb-)Geschwistern eh gut ist, sollte sich kritisch fragen, ob die gleiche Personengruppe schon einen gemeinsamen Erbgang erleben musste. Wer sich an einer sauberen Anleitung – selbst zu rein praktischen Themen – orientieren kann, ist dem Risiko von Zwist weniger ausgesetzt. Wer sich schliesslich dem (Tabu-)Thema annimmt und dieses respektvoll anspricht, wird mit Sicherheit keine Schelte ernten. Besser jemanden behutsam an der Hand führen, als jemandem die Hand führen. Letzteres ist tunlichst (und bei Strafe) zu unterlassen!

Von lic. iur. LL.M. Thomas Loher, Präsident des Verwaltungsrats FINAD AG