Das revidierte Erbrecht, das Anfang 2023 in Kraft treten wird, ändert einiges, aber nicht alles. Wir haben alle wichtigen Neuerungen zusammengefasst und kurz erklärt. Die Revision ist der richtige Zeitpunkt, um Ihr Testament oder Ihren Erbvertrag zu prüfen und Ihre Nachlassplanung zu hinterfragen.

Am 1. Januar 1912 trat das schweizerische Zivilgesetzbuch in Kraft. Es regelt ab Artikel 457 das Erbrecht. Seit seiner Einführung vor 110 Jahren haben sich die Beziehungs- und Familienformen verändert. Darum hat das Parlament Ende 2020 die Revision des Erbrechts verabschiedet. Anfang 2023 wird das revidierte Erbrecht in Kraft treten, das neue Lebensentwürfe wie Patchwork-Familien berücksichtigt und für Todesfälle ab dem 1. Januar 2023 gilt. Was für Konsequenzen hat die Revision für Ihre Nachlassplanung?

Was ändert sich mit Testament?

Nach der gesetzlichen Erbfolge erben Ehegatten die eine Hälfte und Nachkommen die andere Hälfte des Nachlasses. Der gesetzliche Pflichtteil sichert der Ehegattin oder dem Ehegatten und allen direkten Nachkommen einen Mindestanteil an ihrem gesetzlichen Erbanspruch zu. Dieser Pflichtteil wird mit der Revision zum Nachteil der Nachkommen und Eltern angepasst:

  • Ehegatten oder eingetragene Partner haben wie bisher Anspruch auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbanspruchs, das heisst 25 Prozent des gesamten Nachlasses
  • Kinder und Grosskinder haben nur noch Anspruch auf die Hälfte statt drei Viertel ihres gesetzlichen Erbanspruchs, das heisst 25 statt 37,5 Prozent des Nachlasses
  • Eltern haben keinen gesetzlichen Erbanspruch mehr

Damit steigt die frei verfügbare Quote, die Sie mit einem Testament oder Erbvertrag nach Ihrem Willen verteilen können, von drei Achteln auf die Hälfte. Mit dem neuen Erbrecht könnten Sie zum Beispiel Ihrer Ehe-, Konkubinats- beziehungsweise Lebenspartnerin einen grösseren Anteil am Nachlass zuweisen als mit dem alten Erbrecht.

Was ändert sich ohne Testament?

Ohne Testament oder Erbvertrag ändert das neue Erbrecht nichts. Ehepartner und Nachkommen erben gemäss gesetzlicher Erbfolge nach der güterrechtlichen Auseinandersetzung unter Eheleuten wie bisher je eine Hälfte. Wenn Sie das ändern wollen, könnten Sie mit einer Nachlassregelung zum Beispiel Ihre Frau begünstigen und Ihre Kinder auf den Pflichtteil – ein Viertel des gesamten Nachlasses – setzen.

Was ändert sich für die Nutzniessung?

Ehepaare mit gemeinsamen Kindern können sich mit einer Nutzniessung gegenseitig begünstigen. Beispielsweise, damit die überlebende Ehefrau oder der überlebende Ehemann das Haus weiterhin bewohnen oder vermieten und die Miete kassieren kann, obwohl die Immobilie auch den Nachkommen gehört. Dank der Ehegattenbegünstigung im revidierten Erbrecht können dem überlebenden Partner eine Hälfte statt ein Viertel zu Eigentum und eine Hälfte statt drei Viertel zur Nutzniessung übertragen werden.

Was ändert sich für Ehepaare in Scheidung?

Im alten Erbrecht verfallen der Erbanspruch und Pflichtteilanspruch von Ehepartnern in Scheidung erst, wenn das Scheidungsurteil formell rechtskräftig ist. Mit dem neuen Erbrecht wird der Pflichtteilanspruch aufgehoben, sobald das Scheidungsverfahren eingeleitet worden ist, aber nicht der Erbanspruch. Mit einer letztwilligen Verfügung kann der Ehepartner oder die Ehepartnerin vollständig enterbt werden.

Was ändert sich für Konkubinatspaare?

Paare ohne Trauschein und Stiefkinder besitzen weiterhin kein gesetzliches Erbrecht. Das neue Erbrecht verbessert ihre Stellung nicht. Wenn Sie Ihre Partnerin beziehungsweise Ihren Partner oder Ihre Stiefkinder begünstigen wollen, müssen Sie ein Testament oder einen Erbvertrag aufsetzen. Ausserdem werden Erbschaften an Konkubinatspartner weiterhin je nach Kanton mit bis zu 50 Prozent besteuert.

Was ändert sich für die Säule 3a?

Vorsorgegelder der Säule 3a von Versicherungen fielen unter dem alten Erbrecht nicht in den Nachlass. Neu gehören auch die Guthaben bei Banken nicht zum Nachlass. Das Sozialversicherungsrecht regelt die Begünstigtenordnung. Ansprüche aus der Säule 3a werden aber zum Rückkaufswert für die Berechnung der Pflichtteile berücksichtigt. Die Auszahlung wird im Todesfall getrennt vom Einkommen zu einem reduzierten Satz und unabhängig vom Verwandtschaftsgrad besteuert.

Brauchen Sie jetzt ein neues Testament?

Alte Testamente oder Erbverträge sind auch nach dem 1. Januar 2023 rechtskräftig. Dennoch sollten Sie Ihren letzten Willen überprüfen. Wollen Sie die grössere frei verfügbare Quote nutzen und jemanden begünstigen? Oder Ihre Bestimmungen im Fall einer Scheidung festhalten und unnötige Diskussionen vermeiden? Oder Ihre Konkubinatspartnerin beziehungsweise Ihren Konkubinatspartner und Ihre Stiefkinder absichern? Mit einer vorausschauenden Nachlassplanung entlasten Sie Ihre Familie in der Trauer und können die Menschen oder Organisationen begünstigen, die Ihnen besonders am Herzen liegen.

«Mit dem neuen Erbrecht haben Sie einen grösseren Spielraum für Ihren letzten Willen. Nutzen Sie die Erbrechtsrevision und überprüfen Sie Ihre Nachlassplanung. Am besten noch vor dem 1. Januar 2023.»