Die Altersvorsorge baut in der Schweiz auf drei Säulen auf. Am 25. September 2022 stimmen wir über eine Reform der AHV ab, der ersten Säule. In den letzten 20 Jahren sind alle Vorlagen zur Altersvorsorge im Parlament oder in der Volksabstimmung gescheitert. Dieses Mal sieht es besser aus: AHV 21 soll die Leistungen der AHV bis 2030 sicherstellen.

Seit 2014 sind die Einnahmen und Ausgaben der AHV aus dem Gleichgewicht. Ohne Reform wird sich die Schieflage verstärken, weil geburtenstarke Jahrgänge das Pensionsalter erreichen und die Lebenserwartung steigt. Darum hat das Parlament am 15. Dezember 2021 die Reform AHV 21 verabschiedet, die unter anderem durch Mehrwertsteuererhöhungen finanziert werden soll. Gegen diesen AHV-Gesetzesentwurf reichte am 29. April 2022 ein Bündnis aus Gewerkschaften, linken Parteien sowie Frauenverbänden das Referendum mit 53‘209 Stimmen ein. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist ein Bundesbeschluss und unterliegt dem obligatorischen Referendum. Am 25. September 2022 stimmen die Schweizer Stimmbürgerinnen und -bürger darum über das Paket aus AHV-Reform und Mehrwertsteuererhöhung ab.

Die AHV-Reform ist ein Reformpaket

Die Rentenfinanzierung ist mittelfristig nicht sichergestellt. Wegen der Dringlichkeit und Notwendigkeit der Reformen beschränkt sich das Reformpaket auf Massnahmen, die unerlässlich sind, die Höhe der Altersleistungen zu halten und das finanzielle Gleichgewicht der AHV bis 2030 sicherzustellen. AHV 21 und Mehrwertsteuererhöhung sind direkt verknüpft: Die Mehrwertsteuererhöhung tritt nur in Kraft, falls AHV 21 angenommen wird – und umgekehrt. Prognosen sagen Mehrheiten für beide Vorlagen voraus:


AHV 21

SRG und gfs.bern vom 8. August 2022

  • 39 Prozent «ja»
  • 25 Prozent «eher ja»
  • 12 Prozent «eher nein»
  • 21 Prozent «nein»

Tamedia vom 10. August 2022

  • 43 Prozent «ja»
  • 10 Prozent «eher ja»
  • 7 Prozent «eher nein»
  • 37 Prozent «nein»

Mehrwertsteuererhöhung

SRG und gfs.bern vom 8. August 2022

  • 36 Prozent «ja»
  • 29 Prozent «eher ja»
  • 14 Prozent «eher nein»
  • 25 Prozent «nein»

Tamedia vom 10. August 2022

  • 42 Prozent «ja»
  • 16 Prozent «eher ja»
  • 10 Prozent «eher nein»
  • 28 Prozent «nein»

Was ändert sich mit AHV 21?

Das sind die vier wichtigsten Änderungen, falls das Reformpaket aus AHV 21 und Mehrwertsteuererhöhung angenommen werden sollte:

  • Rentenalter wird durch Referenzalter ersetzt. Das Referenzalter ist der Referenzzeitpunkt für die Berechnung der AHV-Rente und Koordination mit den Leistungen anderer Sozialversicherungen. Das Referenzalter ist der Zeitpunkt, an dem Altersleistungen ohne Abzüge oder Zuschläge ausgerichtet werden, aber nicht automatisch der Zeitpunkt des Rückzugs aus dem Erwerbsleben.
  • Das Referenzalter wird für Frauen auf 65 Jahre erhöht und damit für Frauen und Männer vereinheitlicht. Das gilt sowohl für die AHV (1. Säule) als auch für die berufliche Vorsorge (2. Säule).
  • Frauen, die kurz vor der Pensionierung stehen, haben keine Zeit, ihre Vorsorge anzupassen. Darum werden die Folgen für die Übergangsgeneration – Jahrgänge 1961 bis 1969, falls die Reform 2024 in Kraft tritt – abgefedert. Sie erhalten einen lebenslangen Rentenzuschlag, wenn sie ihre Rente nicht vorbeziehen. Falls sie die Rente vorbeziehen, wird sie mit einem tieferen Satz gekürzt.
  • Aktuell können Frauen und Männer ihre Rente bis zu zwei Jahre früher beziehen oder bis zu fünf Jahre aufschieben. Mit AHV 21 könnten sie die Rente zwischen 63 und 70 Jahren beziehen, Frauen mit Jahrgang 1961 bis 1969 ab 62. Ausserdem könnten sie die Rente teilweise früher beziehen (Teilrentenvorbezug) oder aufschieben (Teilrentenaufschub). Die Kürzungen für Vorbezüge und Zuschläge für Aufschübe werden der durchschnittlichen Lebenserwartung angepasst. Wer länger arbeitet, kann Beitragslücken schliessen und die Rente bis zur Maximalrente aufbessern, weil die einbezahlten AHV-Beiträge nach Erreichen des Referenzalters berücksichtigt werden können.

Wie wird AHV 21 finanziert?

AHV 21 wird durch die Erhöhung des Frauenrentenalters und eine Mehrwertsteuererhöhung finanziert. 100 Prozent Mehrwertsteuerzusatzeinnahmen werden dem AHV-Ausgleichsfonds gutgeschrieben:

  • Der Normalsteuersatz wird um 0,4 Prozentpunkte von 7,7 auf 8,1 Prozent erhöht.
  • Der reduzierte Satz für Bücher, Medikamente, Nahrungsmittel sowie Zeitungen wird von 2,6 auf 2,7 Prozent erhöht.
  • Der Sondersatz für Übernachtungen inklusive Frühstück wird von 3,7 auf 3,8 Prozent erhöht.

Die Mehrwertsteuererhöhung und die Erhöhung des Frauenrentenalters (Mehreinnahmen minus Ausgleichsmassnahmen) sollen die AHV mit 2,06 Milliarden Franken im Jahr entlasten. Das reicht, um die Höhe der Altersleistungen zu halten und das finanzielle Gleichgewicht der AHV bis 2030 sicherzustellen. Danach braucht es weitere Reformen, weil immer weniger Arbeitnehmende immer mehr Rentnerinnen und Rentner finanzieren müssen. Dessen sind sich der Bundesrat und das Parlament sehr wohl bewusst.

Vorteile der Reform für Unternehmen

Die AHV-Reform setzt Anreize für längeres Arbeiten und hätte darum auch Vorteile für die Unternehmen. Gerade in einer Zeit, in der die Fachkräfte knapp sind. Zum einen, weil die Frauen ein Jahr länger arbeiten würden. Zum anderen, weil Frauen und Männer flexibel wählen könnten, ob sie länger als bis 65 arbeiten wollen. Im Vergleich zu heute wäre es dank AHV 21 für viele Arbeitnehmende einfacher und finanziell attraktiver, bis 66, 67, 68, 69 oder 70 zu arbeiten, weil ihre AHV-Beiträge berücksichtigt werden können, die sie nach Erreichen des Referenzalters einbezahlen. Ausserdem konnten Arbeitnehmende bisher nur jährlich entscheiden, ob sie ihre Rente aufschieben oder ihr Pensum anpassen wollen, neu jeden Monat. Das dürfte den Fachkräftemangel in der Schweiz zwar nicht lösen, aber lindern. Darum sollten Unternehmerinnen und Unternehmer die Chance nutzen und ältere Angestellte überzeugen, länger zu arbeiten.

7 Fakten zur AHV in der Schweiz

  • 2,471 Millionen Menschen beziehen eine Altersrente
  • 1,687 Millionen Altersrentenbezügerinnen und -bezüger leben in der Schweiz
  • Die durchschnittliche Altersrente beträgt 1’876 Franken
  • 4 Prozent der Rentenbezügerinnen und -bezüger erhalten eine Minimalrente (1’195 Franken)
  • 43 Prozent der Rentenbezügerinnen und -bezüger erhalten eine Maximalrente (2’390 Franken)
  • 9 Prozent der Rentenbezügerinnen und -bezüger haben ihre Rente vorbezogen
  • 3 Prozent der Rentenbezügerinnen und -bezüger haben ihre Rente aufgeschoben

Quelle: Bundesamt für Sozialversicherungen BSV, AHV-Statistik 2021